: „Es ist nie zu spät“
■ Helga Hansi, 66, hat wenig Freizeit, aber viel Mut und Lust auf ein neues Instrument: Sie setzte sich mit 65 ans Schlagzeug
„Es ist mein Ding“, Helga Hansi hat „ihr“ Instrument gefunden: das Schlagzeug. Eigentlich nichts außergewöhnliches, außer der Tatsache, daß sich Helga erst mit 65 Jahren entschied, hinter dem Becken Platz zu nehmen, und das war vor einem Jahr. Sie hatte Zweifel: „Aber ich wollte es wissen“. Also studierte sie die Zeitungsannoncen der taz und wurde fündig. „Ich rief Wolfgang an und fragte ihn, ob er auch Leute in meinem Alter unterrichtet.“ Er hatte gar nichts dagegen.
Nach dem Unterricht geht sie nun mit einem guten Gefühl nach Hause: „Es trägt zu meiner inneren Befreiung bei.“ Hohe Ansprüche hat sie sich von Beginn an nicht gestellt, aber: „Ich wollte den Rhythmus aufnehmen und improvisieren.“
Schwierigkeiten gibt's durchaus: „Während ich mit der rechten Hand einen Takt auf der High Hat halten soll, muß ich auf dem Becken einen ganz anderen spielen“, erzählt Helga und trommelt mit den Fingern auf dem Küchentisch, um das Beispiel hörbar zu verdeutlichen.
Mit dem regelmäßigen Üben läuft es aber nicht so, wie es sich Helga vorgestellt hat. Die pensionierte Lehrerin, die seit vier Jahren in Hamburg lebt, hat zuhause kein Schlagzeug. Und immer auf dem Kochtopf zu spielen, macht ihr auf die Dauer keinen Spaß. Die Anschaffung ist weniger ein finanzielles Problem, sondern eher eine Frage des Lärms. „Ich weiß nicht, ob ich es den Bewohnern des Hauses zumuten kann“, meint Helga.
Die fehlende Freizeit ist ein weiteres Problem. Als - ehrenamtliche - Geschäftsführerin des Vereins Plädoyer für eine ökumenische Zukunft hat sie immer einen vollen Terminkalender. Ihre Arbeit in dem Verein, in dem Einzelpersonen aus unterschiedlichen christlichen Religionen gesellschaftliche Probleme aufgreifen und zu deren Lösung beitragen wollen, versteht sie durchaus als politisch.
„Kirche kann eine breite Plattform bieten, auch die Betroffenen zu beteiligen“, meint sie, die vor 20 Jahren die SPD verließ. Auf kommunaler Ebene „liierte der rechte Strang der SPD doch zu sehr mit der CDU“, meint die Freizeit-Schlagzeugerin, an der '68 nicht spurlos vorbeigegangen ist.
„Das habe ich in einem Atemzug gelesen“. In der Hand hält sie Oliver Tolmeins Buch über die neue Euthanasiedebatte Wann ist der Mensch ein Mensch. „Das heißt nicht, daß ich nicht auch mal einen Krimi lese“, sagt sie, als ob sie sich dafür entschuldigen will.
Nikos Theodorakopulos
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