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„Es handelt sich nicht um Kavaliersdelikte“

■ Interview mit Herta Däubler-Gmelin, der stellvertretenden Vorsitzenden der SPD

taz: Der Bundesaußenminister spricht seinen Botschafter von Ihren Vorwürfen frei, im Fall des Kindersexhändlers V. nicht rechtzeitig gehandelt zu haben. Haben Sie dennoch etwas erreicht?

Herta Däubler-Gmelin: Ja. Zum einen hat Klaus Kinkel anerkannt, daß das zögerliche Vorgehen gegen diesen üblen Straftäter, der Kinder an deutsche Sextouristen vermittelt, ein Skandal ist und betont, die deutschen Botschaften seien angehalten, in Zukunft ohne Zaudern gegen solche Verbrecher vorzugehen. Da werden wir ihn beim Wort nehmen. In jedem Einzelfall. Zum zweiten zeigen sein Antwortbrief sowie zusätzliche Informationen, daß der Grund für die Verzögerung in einem Zuständigkeitsstreit zwischen Innen-, Außen- und Justizministerium liegt. Die sind sich offensichtlich nicht einig, wie gegen solche Verbrecher vorgegangen werden soll. Das ist ein weiterer Skandal. Wir werden die angebotenen Informationen gern entgegennehmen, dann aber bei der Bundesregierung einfordern, daß sie entschlossen gegen Straftäter einschreitet.

Warum beantragten Sie erst Wochen nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen den Botschafterdie Dienstaufsichtsbeschwerde?

Gegen Sextourismus, Vermittlung von Kindern zur Prostitution und Menschenhandel, wie jetzt wieder in Thailand, gehe ich zusammen mit anderen seit 1972 vor – auf ganz unterschiedlichen Wegen, und schwer ist das allemal. Eine Dienstaufsichtsbeschwerde ist grobes Geschütz und nur dann angebracht, wenn die Umstände wirklich wie jetzt das Fehlverhalten auch des Botschafters anzeigen. Ich finde, er hätte schneller und wirksamer eingreifen können – und müssen.

Im Justizministerium heißt es, man sei daran interessiert, die Zusammenarbeit mit Ländern wie Thailand zu beschleunigen. Das Auswärtige Amt hingegen sagt, die Bundesregierung wolle die Kindersextouristen möglichst in Deutschland strafrechtlich verfolgen. Deshalb seien die Botschafter verpflichtet, zunächst die deutschen Behörden zu informieren. Wie paßt das zusammen?

Die Strafverfolgung in Thailand entspricht nicht unseren rechtsstaatlichen Maßstäben. Ich habe deshalb Verständnis dafür, daß deutsche Verbrecher auch in Deutschland bestraft werden sollen – nur muß man das dann auch tun. Und bei Kinderpornographie, Prostitution mit Kindern oder Sextourismus im Ausland schauen bei uns noch viel zu viele Behörden weg, wenn man ihnen das erlaubt. Zusammenarbeit mit den thailändischen Behörden und entschlossene Bekämpfung von Sextourismus, Kinderprostitution und Menschenhandel auch hier bei uns – das alles ist nötig.

Halten Sie es für ausreichend, wie deutsche Päderasten bisher in Deutschland strafrechtlich verfolgt worden sind?

Diese Frage läßt sich nur auf konkrete Fälle bezogen richtig beantworten. Doch alle anhängigen Verfahren schweben noch. Unser Strafgesetzbuch ist aber mittlerweile – auch das war nicht leicht durchzusetzen – eindeutig: Kinderpornographie, Prostitution mit Kindern, vor allem gewerbliche Prostitutionsvermittlung von Kindern und andere Arten von Menschenrechtsverletzungen werden schwer bestraft.

Das muß nun im Einzelfall auch umgesetzt werden, damit solche Männer endlich kapieren, daß es sich hier nicht um Kavaliersdelikte handelt.

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