piwik no script img

„Es gibt zuviel Tod und Zerstörung“

■ 40 Tote, 50 Verletzte bei einem Fußballspiel in Südafrika

Johannesburg (taz) — 23 Minuten lang hatten die beiden Erzrivalen aus Soweto, Orlando Pirates und Kaizer Chiefs, am Sonntag die gegenseitige Verteidigung nicht durchdringen können. Aber die Pirates lagen vorne — das Spiel fand fast ausschließlich in der Hälfte der Chiefs statt. Dann, in der 24. Minute, legte Absalom Thindwa von den Chiefs mit einem Riesenpaß seinem Stürmerkollegen Fanie Madida den Ball vor die Füße. Madida lenkte ihn ins Netz. „Abseits!“ protestierten die Pirates-Fans. Aber der Schiedsrichter war anderer Meinung. 1:0.

Die Pirates-Fans waren wütend. Sie glaubten schon immer, daß Schiedsrichter die Chiefs, den erfolgreichsten Klub der achtziger Jahre, bevorzugen. Einige Coladosen flogen in die von Chiefs-Anhängern besetzten Ränge. Die Chiefs-Leute ließen das nicht auf sich sitzen. Es kam zum Kampf. Ob auch Messer gezückt wurden, ist nicht sicher. Aber unter den 20.000 Zuschauern im „Sir Ernest Oppenheimer-Stadion“ in der Minenstadt Orkney, 200 Kilometer südwestlich von Johannesburg, brach Panik aus. Sicherheitszäune, die das Spielfeld von den Zuschauern trennten, wurden plattgedrückt. 40 Leute, darunter Frauen und Kinder, zu Tode getrampelt, Dutzende verletzt.

Die meisten von ihnen saßen in den vordersten Reihen, wurden von hinten zu Boden gedrückt. „Es war schrecklich“, sagte Frans Khoza (54), einer der Verletzten. „Ich dachte, ich würde sterben, als ich hinfiel und die Leute über mich liefen.“ Isaac Motswana (46) sprang über einen hohen Zaun. Er hörte einen Knall wie von einer Schußwaffe — es war sein Beinknochen, der brach.

Polizei war bei dem Spiel nicht zugegen. Es handelte sich um ein Freundschaftsspiel zur Vorbereitung auf die Fußballsaison, die am kommenden Wochenende offiziell beginnt. Nur etwa 20 Sicherheitsleute des Anglo American Bergbaukonzerns, dem das Stadion gehört, waren dabei. „Dies war ein privates Spiel, von dem wir offiziell nichts wußten“, sagte Abdul Bhamjee, Sprecher der südafrikanischen Fußballiga NSL. „In Zukunft werden wir solche Spiele, die nicht von der NSL genehmigt sind, nicht zulassen.“ Sowohl die NSL als auch Anglo American haben offizielle Untersuchungen angekündigt.

„In unserem Land gibt es zuviel Tod und Zerstörung“, meinte Nelson Mandela, Vizepräsident des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC). „Jedes verlorene Menschenleben trifft uns alle, denn ihr alle werdet gebraucht, um ein freies Südafrika aufzubauen.“

Fußball ist der unter Schwarzen beliebteste Sport in Südafrika. Jeder schwarze Junge träumt davon, als Fußballprofi reich und berühmt zu werden. Und reich werden können die Spieler. Bei dem Freundschaftsspiel in Orkney war für die Gewinner ein Preis von 60.000 Rand (etwa 36.000 Mark) ausgesetzt. Die besten Mannschaften, darunter allein vier aus Soweto, haben Anhänger im ganzen Land. So kommen auch zu einem Spiel Pirates gegen Chiefs, mehr als 200 Kilometer von Soweto entfernt, 20.000 Zuschauer. Hans Brandt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen