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Archiv-Artikel

Ein Tattoo für ein paar Minuten, subjektiv und weltumarmend: „Darlo“ im Molotow Es geht um Liebe, Verzweiflung und Unsicherheit. Es geht, mal wieder, um alles

Wo sich juvenile Euphorie mit trotziger Verweigerung trifft, da hat die Rockmusik ihren Lieblingsplatz. Auch wenn ihre Posen oft falsch erscheinen, mehr gespielt als gelebt, gibt es diese Momente noch immer: Momente, in denen das ganze Leben in nur wenigen Minuten komprimiert erscheint, alle Gefühle intensiviert wie eine feurig-scharfe Sauce, die einem den Atem raubt und die Wangen rötet.

Das Leben, zusammengepresst in einen Dreiminutensong. Nicht mehr und nicht weniger will die Band Darlo, die in diesen Tagen ihr erstes Album bei Tapete Records vorlegt. Zwar sind die beteiligten Musiker nicht unbekannt – Daniel Riedl und Tobias Reinbacher etwa kennt man von den Wiesbadener Bands Rekord und Tobacco, Gunther Buskies als Gründer des wirbelnden Hamburger Tapete-Labels – doch ihre neue Band klingt so aufregend und erfrischend, wie Indierock in seinen besten Momenten noch sein kann.

Auf die selbst gestellte Frage „Muss man aufhören, einsehen und mitgeh‘n?“ antwortet das Quartett selbstverständlich: „Kann man nicht, will man nicht, muss man nicht, kann man nicht“ und auch der Albumtitel versprüht Utopie-Optimismus: Irgendwann E.P. haben Darlo ihren Erstling zukunftsweisend genannt.

In vielem knüpft Darlo an die Vorgängerband Rekord an – einer Band, der man vor etwa zehn Jahren nachsagte, sie wäre eine gute Alternative zum hanseatischen Diskursrock. Vor allem der wegwerfende Hau-drauf-Gestus begegnet dem Hörer auch jetzt in Reinkultur wieder – und auch die Dringlichkeit, mit der sie uns ihre Lieder an den Kopf werfen. Das kann weh tun und schmerzt, doch genau darum scheint es hier zu gehen. Vorsichtig war gestern. Es geht um Liebe, Verzweiflung und Unsicherheit. Es geht, mal wieder, um alles.

Daraus wird bei Darlo Musik, die meistens rockt, kracht und scheppert, manchmal aber auch feinsinnig klingt, doch trotzdem in schneidender Präzision von den Widersprüchen erzählt, die das Leben schreibt. „Du kennst es doch das Spiel – Don‘t ask me how I feel“, heißt es in einem der besten Stücke.

Auf den Bandfotos trägt Sänger Daniel Riedl eine selbst gemalte Darlo-Tätowierung am Unterarm – und so ist auch die Musik: wie ein Tattoo für ein paar Minuten, subjektiv und weltumarmend. Darlo ist, meint Markus Göres im Info der Plattenfirma, ein „Rettungsanker gegen die Realität“. Und wer sein Herz noch ein letztes Mal an Indierock verlieren will, muss sich das ansehen.

Mit dabei an diesem Abend ist Tapete-Labelmate Thimo Sander, der mit Filmmusiken zu Im Juli und Fickende Fische bekannt geworden ist. Im Molotow stellt er sein Debüt Eine Hand Immer vor. Wer auch Daniel Riedls zweite Band Tobacco sehen möchte, der sollte sich schon jetzt den 26. Mai im Kalender anstreichen. Da spielen Riedl und sein Tobacco-Sideman Zac Johnson im Hafenklang. Marc Peschke

Samstag, 21 Uhr, Molotow