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Es dröhnt ein Lied aus allen Kanälen

■ Joseph Vilsmaiers laute Verfilmung des Romans Schlafes Bruder von Robert Schneider

Das ist die Geschichte des Regisseurs Joseph Vilsmaier, der 55jährig eine Erzählung zu Tode brachte, nachdem er beschlossen hatte, sie zu verfilmen. Denn wovon Robert Schneider in seinem Erstlingsroman Schlafes Bruder (dessen längst berühmten ersten Satz sich diese Kritik kurz ausgeliehen hat) in einer altertümelnd-distanzierten Sprache berichtet, das behauptet Vilsmaier in der Verfilmung tatsächlich zeigen zu können. Unter anderem dies: daß die Welt zu singen anfängt. Wer nicht zumindest ein ganz klein wenig klammheimliche Bewunderung für diese Hybris empfinden kann, dem bleiben gar keine Wörter, um auszudrücken, wie sehr Vilsmaier dies zu zeigen mißlungen ist.

Zigtausende von Lesern werden die Geschichte kennen. Sie handelt von dem urdeutschen Motiv des Originalgenies, dargestellt am Beispiel des Musikers Johannes Elias Alder, der, armer Bauern Kind, zeitlebens nie eine Note zu lesen gelernt hatte und dennoch mit der Orgel die Himmelspforten zu öffnen in der Lage war. Um diese Geschichte zu erzählen, wendet Vilsmaier alles auf, was er sowohl bei seinem Heimatfilm (Herbstmilch) als auch beim Kriegsfilm (Stalingrad) gelernt hatte.

Da fliegt die Kamera im Hubschrauber durch die erhabenen Alpen. Da geht ein zuvor eigens erbautes Dorf gänzlich in Feuer auf. Und da findet sich jede Gefühlsregung überlebensgroß ins Gesicht der Schauspieler geschnitzt. Der Thalia-Schauspieler André Eisermann spielt Johannes Alder. Er muß schon ordentlich grimassieren, um bei diesem Aufwand an Material und Mimik als Figur überhaupt noch vorzukommen. Ergebnis: Das Grimassieren kommt vor, die Figur leider nicht.

Nun könnte man Schlafes Bruder als eine von vielen fehlgeschlagenen Literaturverfilmungen einfach abtun. Aber man kann es dann doch nicht. Dieser Film reizt dazu, sich gehörig über ihn ärgern. Vielleicht liegt es an dem dichten Geflecht von Motiven der deutschen Romantik, denen der Film einzig aufzusitzen scheint, um sie gehörig ausbeuten zu können. Etwa dem Motiv der zum Klingen gebrachten Welt.

Vilsmaier behandelt es nach seiner Art: mit Fleiß und mit Bombast-Ästhetik. Er hat, wie er in einem Fernsehinterview erklärte, das Quaken der Frösche aufnehmen lassen, das Rauschen des Windes, das Plätschern des Wassers – und so weiter und so fort. Das alles hat er in der Schlüsselszene des Films hübsch gesampelt, auf die Tonspur gepackt und noch mit Engelsgesängen unterlegt. So wie der Ton bei dieser Szene ist der Film im Ganzen: laut.

Eichendorff hat das romantische Motiv auf die Formel gebracht: „Es ist ein Lied in allen Dingen“. Dank Vilsmaier wissen wir es jetzt endlich besser: Es dröhnt der Sound aus allen Kanälen.

Dirk Knipphals

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