Erste indigene Abgeordnete Brasiliens: Vorkämpferin für die Indígenas
Per Crowdfunding sammelte sie 500 Euro für ihre Kampagne und hatte Erfolg. Als erste Indigena zieht Joênia Wapichana ins Parlament.
Brasiliens Joênia Wapichana ist die erste Indígena-Frau, die ins Bundesparlament Brasiliens einzieht. Bei der Wahl am Sonntag erhielt sie 8.491 Stimmen und wird eine von 77 weiblichen Abgeordneten sein – neben 436 Männern. Ihre Wahl ist eine der wenigen guten Nachrichten des Urnengangs, bei dem der Rechtsextremist Jair Bolsonaro 46 Prozent errang und als Favorit in die Stichwahl um die Präsidentschaft geht. Er kündigte bereits an, dass seine Regierung indigenen Gemeinden keinen einzigen Fitzel Land mehr zusprechen würde.
„Meine Mission ist, die kollektiven Rechte der Indígenas zu verteidigen“, sagt Wapichana. Ohne Kampf und viel Ausdauer seitens der Gemeinden sind die in der Verfassung verbrieften Rechte auf eigene Kultur, Sprache und Landbesitz nichts wert. Großgrundbesitzer und Bergbauunternehmen haben es auf ihr angestammtes Land abgesehen.
Vielen in Brasilien gelten Indigene als Symbol für Rückschritt und Armut. „Sogar bei uns zuhause werden wir als Diebe bezeichnet. Dieser Diskriminierung muss ein Ende gesetzt werden“, erklärte Wapichana mit ruhiger Stimme im Wahlkampf. Sie ist auf viel Gegenwind gefasst. General Hamilton Mourão, Vizepräsidentschaftskandidat von Bolsonaro, sagte jüngst, dass das indigene Erbe für Faulheit und Trägheit unter den Brasilianern verantwortlich sei.
Die 43-Jährige kandidierte für die Partei „Rede“ der früheren Umweltministerin Marina Silva. Wapichana gilt als die erste indigene Rechtsanwältin Brasiliens. An der Universität von Arizona in den USA machte sie ihren Master. Im jahrelangen und 2005 schließlich erfolgreichen Kampf um die Einrichtung des Indígena-Schutzgebiets Raposa do Sol spielte sie eine wichtige Rolle. Auf dem Gebiet im Norden des Landes nahe der Grenze zu Venezuela leben fünf indigene Völker, darunter die Uapixanas, zu denen Wapichana gehört.
Muttersprachenunterricht für die Kinder
Mit acht Jahren verließ sie ihr Dorf Wapixana im bergigen Nordosten des Bundesstaats Roraima und zog mit ihrer Mutter nach Boa Vista. Nach der Schule arbeitete sie als Buchhalterin und abends studierte sie Jura. Später legte sie ihren Geburtsnamen Batista de Carvalho ab und nennt sich seitdem entsprechend ihrer Herkunft Joênia Wapichana. Sie versteht sich als Aktivistin und arbeitet im Indigena-Rat von Roraima (Conselho Indígena de Roraima, CIR). Sie erhielt mehrere Menschenrechtspreise, unter anderem vom brasilianischen Kulturministerium.
Wapichana hat sieben Geschwister. Die meisten von ihnen leben wie ihr Vater im Dorf Wapixana. Sie ist verheiraten und hat zwei Kinder. Auch wenn sie knapp 300 Kilometer von ihrer Gemeinde entfernt leben, legt Wapichana Wert darauf, ihnen ihre Muttersprache beizubringen. „Sie sollen nicht vergessen, wo sie herkommen.“
In Zukunft wird sie in der Hauptstadt Brasília vielen Anfeindungen ausgesetzt sein. Das Parlament ist ein Hort der Gutbetuchten, von denen viele ihren Reichtum auf dubiose Weise mehren. Wapichana finanzierte ihre Wahlkampagne per Crowdfunding und brachte knapp 500 Euro zusammen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern