: Erste Sonntagsdemo gegen Waldheim
■ Tausende protestierten in Wien, während die ÖVP sich behutsam auf Distanz zu Waldheim begibt
Wien (ap/rtr/afp/taz) - Vor wenigen Tagen hatten die österreichischen Konservativen noch einstimmig eine Resolution zur Stützung von Bundespräsident Waldheim verabschiedet; jetzt äußerten sich ÖVP–Mitglieder deutlich kritisch zu der „Causa“. Seine Partei werde den Präsidenten nicht „bis zur Selbstaufgabe“ stützen, erklärte ÖVP–Generalsekretär Herbert Kukacka am Samstag. Waldheim müsse selbst Initiative entwickeln, um „Defizite an Glaubwürdigkeit durch eine Informationsstrategie abzubauen“. Im Frühsommer - also nach den Gedenkfeiern zum Anschluß Österreichs an Hitler–Deutschland - werde die ÖVP dann Bilanz ziehen und entscheiden. Wirtschaftsminister Graf setzte sich dafür ein, den mit Waldheim geplanten Staatsakt zum Gedenktag abzusagen. Die gleiche Forderung hatte vorher der ÖVP–Vizevorsitzende Erhard Busek vertreten. Auch Sozialminister Alfred Dallinger von der SPÖ forderte eine Absage des Staatsakts. Bezüglich eines Rücktritts von Waldheim sagte er, es sei „wünschenswert, wenn bis zum 11.März ein bestimmtes Ereignis einträte.“ Er glaube jedoch nicht, „daß sich das vollzieht.“ Innenminister Karl Blecha von der SPÖ kündigte für den heutigen Montag eine klare Stellungnahme seiner Partei zur Causa Waldheim an. Nach einer Meinungsumfrage begrüßen heute nur noch 42 Prozent der Österreicher den Verbleib Waldheims im Amt, 45 Pozent sind dagegen. Alt–Bundeskanzler Bruno Kreisky nannte Waldheim einen Lügner und forderte seinen Rücktritt; auch das bundesdeutsche Mitglied der Historikerkommission, Manfred Messerschmidt, befürwortete das. Am Freitag hatten in Linz 1.500 Demonstranten den Rücktritt des Präsidenten gefordert, und gestern fand in Wien eine Protestdemo statt, die bis zum Rücktritt an allen Sonntagen wiederholt werden soll. Waldheim selbst, der sich in den vergangenen Tagen in der Hofburg vergraben hatte, erklärte gegenüber der Welt, ein Rücktritt vom Amt würde das Land ins Chaos stürzen. Am Sonntag demonstrierten mehrere tausend Österreicher gegen Waldheims Verbleib im Amt. Die Demonstration soll jeden Sonntag wiederholt werden - bis zu Waldheims Rücktritt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen