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Archiv-Artikel

Erst mal immer wieder Stimmungswechsel, und dann noch etwas Tanzmusik: neue Alben von Heaven And und Headman

Die einen, also das Publikum, lieben die Schublade. Es lässt sich leichter der Überblick behalten so. Die anderen aber, die Schubladisierten nämlich, die hassen sie. Musikers liebster Satz ist: Ich lasse mich nicht einordnen, schon gar nicht in so eine blöde Schublade. Nur: Bei den allermeisten stimmt das gar nicht. Die lassen sich sogar ganz prima einordnen. Zu denen gehören Heaven And nun allerdings tatsächlich nicht.

Nicht dass das Quartett aus Berlin und Wien auf seinem zweiten, demnächst erscheinenden Album „Bye And Bye I’m Going To See The King“ nicht allerhand Schubladen öffnen würde. Die mit dem Jazz immer wieder. Aber auch die, wo Folk oder Rock, Country oder Blues, Gothic oder Postrock drin stecken, sowie die mit der elektronischen Musik, die mit der Avantgarde und dann sogar die, wo draußen „Atonaler Lärm“ draufsteht. In keiner dieser Ablagen allerdings, da sind sie schon sehr eigen, machen sie es sich allzu bequem. Einzelne der nur sechs, mit Streichern und Schlagzeug, Orgel und Trompete, Steelguitar und Computer improvisierten Instrumentals mögen zuordenbar sein, das durchaus als Soundtrack eines Italo-Westerns denkbare „Blue, Even“ beispielsweise. Meist aber wird in ein und demselben Stück der Sprung durch die Genres durchexerziert, werden Klanglandschaften mit chaotischem Wildwuchs beackert, werden Erwartungshaltungen systematisch enttäuscht. In der Konsequenz gerät ihre Musik alles andere als gemütlich: Das Tempo mag nicht schnell sein, aber die Stimmungen wechseln so beständig, dass sich der Hörer kaum einrichten kann.

Musikalisch bei weitem nicht so unübersichtlich ist „1923“, das ebenfalls Ende April erscheinende Album von Headman. Hinter dem Pseudonym aber ist für Verwirrung gesorgt: Der seit einigen Jahren in Berlin und Zürich lebende Schweizer Robi Insinna jettet als DJ um den Globus, dann nennt er sich aber Manhead. Zudem ist er einer der gefragtesten Remixer weltweit und hat schon für Franz Ferdinand oder Roxy Music, The Gossip und The Rapture gearbeitet. Außerdem gab es zumindest zeitweise noch eine Band namens Headman, mit der Insinna auftrat, wenn er sich nicht gerade um sein Label Relish kümmern musste oder Tracks programmierte, die bei einem halben Dutzend anderer Labels herauskamen.

Mit „1923“ gelingt ihm zum wiederholten Male das Kunststück, elektronische Tanzmusik so klingen zu lassen, als sei sie von einer Band eingespielt, die sich aber dann als Roboter entpuppen. Für dieses doppelte Paradox sind weniger die verschiedenen Sänger verantwortlich, die Insinna engagiert hat, diesmal Katrina Noorbergen aus Australien, Steve Mason von der Beta Band und als Prominenz Dieter Meier von Yello. Sondern dass der harte mechanische Funk, den er programmiert, zwar einerseits die klassische Rhythmussektion einer Band imitiert, aber andererseits nichts hat von der altmodischen Eleganz, die dieses Genre einmal auszeichnete. So gesehen verweigert auch Headman, sich widerspruchslos in eine Schublade einordnen zu lassen. THOMAS WINKLER

■ Heaven And: „Bye And Bye I’m Going To See The King“ (Staubgold/Indigo) live heute in der Volksbühne, 22 Uhr

■ Headman: „1923“ (Relish/Groove Attack), live 1. 4. im Cookies