: Erst Souverän, dann infantil
betr.: „Im real rexistierenden Egoismus“ von Christian Schneider, tazzwei vom 15. 10. 05
Dieser Artikel ist wirklich ärgerlich. Nachdem „das Volk“, wie ich lesen kann, in jüngster Zeit zum Souverän hochstilisiert (wessen PR war das?) wurde, wird es jetzt ob seiner ihm unterstellten Wünsche und Sehnsüchte als kindlich, gar infantil bezeichnet.
Dieser Artikel ist deswegen so bezeichnend bzw. entlarvend, weil er zeigt, wie hypothetisch nicht nur ganze Zeitungsseiten (und leider auch in der taz) gefüllt werden, sondern ja auch regiert – sprich gehandelt wird. Es wird eine zentrale These aufgestellt, hier: die Sehnsucht nach den Übereltern, und zum Beleg soll die Bezeichnung Landesvater (für Ministerpräsident) dienen. Ich frage Sie, von wem bitte stammt wohl so eine Bezeichnung, wenn nicht von den Medien bzw. von einzelnen Politikern selbst? Von mir jedenfalls sicher nicht.
Ich gehöre zu denen, die das Ergebnis der Wahl sehr schlüssig finden, und zwar aus folgenden Gründen: Auch in diesem Wahlkampf war bei jeder Partei zu sehen, dass das Werbekonzept wichtiger war als jeder Sachinhalt, die Diffamierung gegnerischer Parteien wichtiger als jede Diskussion – und zurzeit wollen Sie mir gerade weismachen, dass die Unterschiede kaum überbrückbar sind!
Wenn für mich Unterschiede ersichtlich gewesen wären, nämlich dass es ein differenziertes, sachlich stichhaltiges, glaubwürdiges Konzept, tragbar für eine Mehrheit der Bevölkerung, zu wählen gegeben hätte, wäre es mir – und sicher nicht nur mir – aufgefallen und möglicherweise hätte das das Wahlergebnis ja auch verändert. Das Wahlergebnis ist ein sehr klarer Auftrag zum Nachdenken, und die Erkenntnis, die dahintersteht, ist die, dass zurzeit keine Partei ein Konzept vorlegt, das einer Mehrheit des Volkes dient. Es geht darum, den Staat (in Teilen?) neu zu gestalten oder umzubilden, und solange mir im Wesentlichen PR-Strategien um die Ohren geschlagen werden, gibt’s von mir keine Vollmachten zur Umsetzung von denkerischen Eintagsfliegen. SABINE MANN, Saarbrücken