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Erschöpfung in der Hafenstraße

■ Gedämpfte Freude nach Unterzeichnung des Pachtvertrages / Auswärtige Polizisten aus Hamburg abgezogen / Ungewisse Zukunft für BewohnerInnen / „Radio Hafenstraße“ wurde nicht gefunden

Aus Hamburg Kai von Appen

Wer nach der Unterzeichnung des „Pachtvertrages Hafenstraße“ durch den Hamburger Senat ein Freudenfest der BewohnerInnen der umkämpften Häusern erwartet hatte, fand am späten Donnerstag abend eine ganz andere Situation vor. Selten war die Atmosphäre so emotional aufgeheizt und spannungsgeladen wie in diesen Stunden des Erfolges, den der Initiativkreis für den Erhalt der Hafenstraße mit folgenden Worten zusammenfaßte: „Die Hafen straße ist durchgesetzt. Die Häuser bleiben stehen, die BewohnerInnen können erst mal hier wohnen. Es ist der Erfolg unseres langen gemeinsamen Kampfes, den die BewohnerInmnen im Bündnis mit vielen Organisationen, Menschen und Gruppen wie Kirchen, Jusos, Grün–Alternativen Kommunisten, Autonomen und antiimperialistischen Gruppen geführt haben.“ Nach Meinung der UnterstützerInnen wäre ein solches Ergebnis bereits vor Wochen möglich gewesen, es sei aber aufgrund der Senatspolitik notwen dig gewesen „mit Barrikaden und vielen Menschen, die Entschlossenheit und den Widerstandswillen zur Durchsetzung der Hafenstraße zu demonstrieren“. Der Zorn entlud sich an diesem Abend an dem Auftreten der Medien, die bereits den ganzen Tag durch die Häuser gingen, um BewohnerInnen und Wohnungen zu filmen. „Wir sind doch hier nicht im Zoo“, ließ ein Vermummter seinem Zorn freien Lauf. Tatsächlich waren die Gefühlsausbrüche aber mehr das Produkt einer ungewissen Zukunft. Der aktuelle Druck ist zwar weg, aber was die kommenden Monate bringen werden, ist noch ungewiß. Zwar wurden 4.000 auswärtige Polizisten aus Hamburg abgezogen, aber einen Vorgeschmack auf ihre Befürchtungen hatten die HafenstraßlerInnen bereits am Donnerstag nachmittag bekommen. Kaum waren die Befestigungsanlagen abgebaut, tauchte ein Staatsanwalt in Begleitung von Beamten der Staatsschutzabteilung auf, um den illegalen Sender „Radio Hafenstraße“ zu suchen, gefunden haben sie ihn nicht. „Im Prinzip haben wir jetzt die gleiche Situation wie am 30.12. vergangenen Jahres, allerdings mit dem Unterschied, daß die Räumungstitel weg sind, aber mit einem Vertrag, der dem Senat jederzeit ein Räumungsrecht einräumt“, lautet das Fazit eines Fachmannes. Denn nach der Kündigungsklausel des Pachtvertrages, der von zahlreichen Mieterschutzorganisationen als „sittenwidriger Knebelvertrag“ gescholten wurde, kann schon bei geringsten Regelverstäßen oder Straftatten einzelner BewohnerInnen oder bei unliebsamen Wandbemalungen der Pachtvertrag fristlos gekündigt werden. Auch das Besichtungsrecht durch die Staatsmacht liegt den Hafenstraßlern im Magen. Eine ruhige Zukunft für die BewohnerInnen ist jedenfalls mit dem Pachtvertrag nicht gewährleistet.

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