piwik no script img

KOMMENTARErsatz-Konflikt

■ Der Frust an der großen Koalition macht aus der Einstellung der PDS-Richterin eine Senatskrise

Erneut hat der Senat zu keiner Entscheidung über die probeweise Anstellung der Richterin Cathrin Junge gefunden. Erstmalig wird deshalb der Koalitionsausschuß zusammentreten. Die CDU, die mit dem Versuch gescheitert ist, den Richterwahlausschuß zu einer willfährigen Nick-Riege zu machen, welches auf Befehl das genehme Votum abgibt, will ihren Standpunkt durchboxen. Um die vom Richterwahlausschuß wohlerwogenen Gründe für eine Einstellung geht es der CDU längst nicht mehr — man gefällt sich dort wohl auch darin, vor den Kommunalwahlen im Mai einem rechten Populismus zu frönen. Die SPD tut deshalb gut daran, entschieden demokratische Rechte zu verteidigen — auch wenn es um ein PDS-Mitglied geht.

Eigentlich aber ist die Einstellung der PDS-Richterin den Konflikt nicht wert, der sich über viele Wochen entwickelt hat. Der Streit ist nur Ausdruck anderer, nicht geführter Auseinandersetzungen. Nur deshalb hat sich aus einer Personalangelegenheit, die in einer funktionierenden Administration von minderer Bedeutung wäre, schleichend ein erstrangiger Koalitionsstreit entwickelt. In ihm addieren sich der Frust der Koalitionäre beider Parteien, die des Politikmachens auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner überdrüssig sind. Ein Jahr nach Gründung der großen Koalition, dieses ungeliebten Zweckbündnisses, reibt man sich unverhohlen am Zwangskorsett der Koalitionsdisziplin. Es spricht wenig für die ausgleichenden Qualitäten des Regierenden Bürgermeisters Diepgen, daß er dies nicht früher gemerkt hat, sondern die Züge aufeinanderrasen ließ. Nun bleibt kaum noch Spielraum für die Beteiligten, aus dem Clinch herauszukommen und das Gesicht zu wahren. Gerd Nowakowski

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen