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Ermutigende Zeichen?

KOMMENTAR

Ermutigende Zeichen?

Es scheint, als hätten die kaltblütigen Morde in Mölln die Deutschen endlich aufgeweckt. Ermutigende Anzeichen für einen Stimmungsumschwung gibt es zuhauf: Herausragend vielleicht der Beschluß von IG Metall und Nordmetall, morgen in allen Betrieben Mahnminuten einzulegen. Aber auch bei Gesprächen in U-Bahn und Kneipe, mit Kids, Künstlern, Chaoten oder biederen Funktionsträgern wird deutlich, daß mit dem Feuer im idyllischen lauenburgischen Fachwerk eine unsichtbare Schmerzgrenze im gesunden Volksempfinden überschritten wurde. Manchem dämmert erst jetzt: Wer Feuer an Einwanderer legt, zündelt an den Grundlagen des eigenen Wohlstands.

Es reicht aber nicht, sich auf den Stimmungswandel zu verlassen. IG Metall und die taz haben schon vor Monaten vor dem Rumbasteln am Artikel 16 gewarnt. Die taz bezeichnete Voscherau damals als „Brandstifter“. Nun brennt es. Ob Voscherau jetzt Selbstanzeige wegen verbaler Vorbereitung einer kriminellen Vereinigung erstattet? Wohl kaum. Er wird es empört von sich weisen, Mitschuld an Mölln zutragen und behaupten, gerade er fordere doch seit Monaten, wirksame Maßnahmen gegen die Asylantenflut zu ergreifen.

Genau darin aber liegt die kriminelle Verwechslung. Hamburg ist Einwandererstadt. Ausländer sind Einwohner, egal ob Russen auf Management-Trainee, Türken bei Reynolds oder Japaner im NDR-Orchester. Hamburgs politische Elite müßte sich endlich zur Tradition dieser Stadt bekennen, die jahrhundertelang nie einen rassistischen Volksbegriff hatte (wie er der deutschen Staatsbürgerschaft anhaftet), sondern Einwohner und Volk als eins sah. Die Fantasien eines Teils unserer Machtelite, mit Gesetzen und Richtern die reale Einheit der Welt aufzuheben und das Problem „zu lösen“, sind zumindest geistesverwandt mit den Mollimördern von Mölln, die glauben, mit Feuer trennen zu können, was zusammen gehört. Florian Marten

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