Ermordeter Journalist Elyas Dayee: Erst mit dem Tod sichtbar
Berichterstattung in Afghanistan ist lebensgefährlich. Doch den Ruhm für die Arbeit vor Ort ernten meist die privilegierten westlichen Kollegen.
2020 endete in der afghanischen Medienszene mit Trauer. Mindestens acht Journalisten und Medienschaffende wurden im vergangenen Jahr durch gezielte Anschläge getötet. All diese Anschläge waren gleichermaßen verheerend und fürchterlich. Die Ermordung des Journalisten Elyas Dayee löste allerdings eine wichtige Debatte aus.
Dayee wurde im November in der Provinz Helmand getötet. Sein Bruder, ebenfalls Journalist, wurde verletzt. Die beiden Brüder waren vor allem für westliche Medien tätig, darunter etwa Radio Free Liberty Europe, in Afghanistan bekannt als Radio Azadi, sowie die Deutsche Welle. Die Identität der Täter ist weiterhin ungeklärt. Keine Gruppierung bekannte sich zu dem Anschlag. Fakt ist allerdings, dass Afghanistan aktuell das wohl tödlichste Land für Journalisten ist.
Dayee war zum damaligen Zeitpunkt der zweite Journalist, der innerhalb einer Woche getötet wurde. Kurz zuvor wurde Yama Siawash, ehemals ein bekannter Nachrichtensprecher, durch einen Anschlag in der Hauptstadt Kabul getötet. Alle Kriegsakteure gehen gegen Medienschaffende, Intellektuelle und Dissidenten vor.
Es betrifft nicht nur die Taliban, die von der westlichen Berichterstattung die meiste Aufmerksamkeit erhalten, sondern mittlerweile auch die afghanische IS-Zelle und die afghanische Regierung sowie ihre Sicherheitsorgane, allen voran ihren Geheimdienst, den NDS.
Nur als Fixer betrachtet
Es liegt nahe, dass einer der genannten Akteure Dayee auf dem Gewissen hat. Kurz nach dessen Ermordung stellten viele Beobachter den Umgang mit afghanischen Lokaljournalisten, die als sogenannte Fixer von ihren privilegierten, westlichen Kollegen oftmals in vielerlei Hinsicht ausgebeutet werden, infrage. Bei Fixern handelt es sich im journalistischen Jargon um Personen, die vor allem in Kriegsregionen sowie in Ländern des globalen Südens ausländischen – meist westlichen – Journalisten Zugang zu gewissen Themen, Regionen und Personen ermöglichen, oftmals unter Einsatz des eigenen Lebens.
In vielen Fällen agieren Fixer auch als Übersetzer und kulturelle Brückenbauer. Trotz seiner Professionalität wurde auch Dayee von seinen westlichen Kollegen als ein Fixer betrachtet, der ebenjenen Zugang ermöglichte. Immerhin lebte und arbeitete er in Helmand, das seit Jahren zu den bekanntesten Unruheherden Afghanistans gehört und in regelmäßigen Abständen kurz vor der kompletten Taliban-Eroberung stand.
Dayee riskierte sein Leben, Lob kriegen andere
Nach Dayees Tod meldeten sich zahlreiche weiße Journalisten, Wissenschaftler und Aktivisten zu Wort. Sie drückten ihr Beileid aus und bedankten sich gleichzeitig ein letztes Mal für die „gemeinsame Mitarbeit“. Dies machte allerdings stutzig. In all den Berichten und Fallstudien von namhaften Medien und Institutionen, die ebenjene Personen vertreten, konnte man praktisch nirgendwo den Namen Elyas Dayee finden. In einigen Fällen hatte diese Anonymität Sicherheitsgründe. Doch in vielen Fällen hat Dayees Unsichtbarkeit vielmehr mit der Tatsache zu tun, dass der westliche Kollege sich einfach selbst in den Vordergrund stellen wollte.
Dies gehört leider seit Jahren zum Alltag in Afghanistan und anderswo. Menschen wie Dayee machen die Hauptarbeit und riskieren ihr Leben, während Lob, Anerkennung und sogar auch Preise – wie die Relotius-Affäre in Deutschland deutlich gemacht hat – in London, Washington oder Berlin von anderen eingeheimst wird. Hinzu kommt natürlich die Frage, inwiefern die Resultate überhaupt die Realität vor Ort tatsächlich reflektieren.
Selbst abgehärtete Kollegen wollen fliehen
Elyas Dayee war jemand, der mutig sein Leben riskierte und dem wir viele Einblicke zu verdanken haben. Umso trauriger ist die Tatsache, dass sein Name aufgrund der Selbstinszenierung anderer erst nach seiner Ermordung berühmt wurde. Ähnlich verhält es sich mit vielen anderen afghanischen Journalisten, die in diesen Tagen um ihr Leben bangen oder der Gewalt bereits zum Opfer gefallen sind.
Ihre Sicherheit kann nur durch Druck und Intervention seitens der internationalen Staatengemeinschaft garantiert werden. Doch darauf hofft kaum jemand mehr. Selbst abgehärtete Kollegen wollen das Land verlassen und flüchten. Heuer wird sich der Nato-Einmarsch am Hindukusch zum 20. Mal jähren. Amerikas „längster Krieg“ darf nicht vergessen werden. Ohne Journalisten, die darüber berichten, ist dies allerdings schwer möglich.
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