Erleichterungen für Stammzellfoscher: Merkel setzt sich durch

Bei der Stammzellforschung ging der Riss quer durch den Parteitag. Nur eine knappe Mehrheit der Delegierten folgte der Bundeskanzlerin und sprach sich für eine Verschiebung des Stichtages aus.

Der Rohstoff aus dem die umstrittenen Zelllinien gewonnenen werden: Embryonen im Achtzellstadium. Bild: ap

HANNOVER rtr/epd/taz Die CDU will den Umgang mit embryonalen Stammzellen lockern. Mit knapper Mehrheit fasste der Parteitag einen Beschluss, der eine Lockerung des Stammzellgesetzes nicht ausschließt. Betont wird aber, dass Deutschland nach wie vor keinen Anreiz für verbrauchende Embryonenforschung bieten dürfe und die Tötung von Embryonen weder mit dem christlichen Menschenbild noch mit dem Grundgesetz vereinbar sei.

Der Streit um freizügigere Regeln für die Stammzellenforschung hat den CDU-Parteitag in Hannover gespalten. Nach mehr als einstündiger kontroverser Debatte schalteten sich am Montagabend Bundeskanzlerin Angela Merkel und Forschungsministerin Annette Schavan ein und warben dafür, die Beschränkungen für die Forschung mit embryonalen Stammzellen zumindest vorübergehend zu lockern. 321 Delegierte sprachen sich nach der kontrovers geführten Disskusion für Erleichterungen in der Stammzellforschung aus. 301 stimmten dagegen. Sie wollten die bestehenden Regelungen nicht ändern.

Bisher dürfen deutsche Forscher nur solche embryonale Stammzelllinien importieren und verwenden, die vor dem Stichtag am 1. Januar 2002 entstanden sind. Stammzellforscher fordern jedoch schon seit längerem, dass es auch möglich sein muss, mit neuen, nach diesem Stichtag entwickelten Stammzelllinien zu arbeiten. Erwartet wird, dass im Bundestag Anfang nächsten Jahres über eine Verschiebung oder gar Abschaffung des Stichtages entschieden wird. In der SPD-Fraktion gibt es bereits eine größere Gruppe von Abgeordneten, die für eine einmalige Verschiebung des Stichtages eintritt. Die Unionsfraktion wollte vor einer Debatte im Parlament das Votum des CDU-Parteitags abwarten.

Mehrere Kritiker wandten sich auf dem Parteitag strikt gegen eine Verschiebung des Stichtags. Sie argumentierten, dies werde eine Kettenreaktion nach sich ziehen mit immer weiter gehenden Verschiebungen.

Bundesforschungsministerin Annette Schavan hingegen setzte sich für Lockerungen ein ein. Eine Stichtagsverschiebung sei ethisch "verantwortbar". Sie könne ihre Überzeugungen als katholische Theologin und ihre Verantwortung als Forschungsministerin mit einem solchen Beschluss vereinbaren, sagte sie. Auch wenn der Stichtag verschoben werde, werde die Substanz des Stammzellgesetzes erhalten. Von Deutschland werde auch weiterhin kein Anreiz ausgehen, Embryonen für die Forschung zu produzieren.

Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel unterstützte die Position von Schavan. Sie habe sich "nach langer Überlegung" der Argumentation der Forschungsministerin angeschlossen, sagte Merkel.

Schavan betonte, 97 Prozent der Förderung gehe in Deutschland in die adulte Stammzellforschung. Ziel müsse sein, die embryonale Stammzellforschung überflüssig zu machen. Sie sei aber als Vergleichsforschung noch erforderlich. Ohne die Forschung an embryonalen Zellen wären die jüngsten Erfolge bei der Reprogrammierung adulter Zellen nicht möglich gewesen.

Amerikanischen und japanischen Forschern war es vor kurzem gelungen, Haut- und Bindegewebszellen so umzubauen, dass sie die Fähigkeit embryonaler Zellen besitzen, sich zu allen Zellformen weiterzuentwickeln. Davon erhofft man sich die Heilung und Nachzucht für erkrankte Gewebe, etwa bei Krebs.

Die Vorsitzende der Frauen Union, Maria Böhmer, lehnte eine Verschiebung des Stichtags ab: "Dann ist der Stichtag kein Stichtag mehr." Der 2002 gefasste Beschluss, an dessen Erarbeitung Böhmer maßgeblich beteiligt war, sei als einmaliger Beschluss zu verstehen. Die stellvertretende rheinland-pfälzische CDU-Vorsitzende Julia Klöckner warnte, es würden weitere Verschiebungen folgen wie eine "ethische Wanderdüne". Die Orientierung am christlichen Menschenbild und am Lebensschutz müsse auch in der konkreten Politik der CDU erkennbar sein.

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