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KOMMENTAREErleichterung in Thüringen

■ Der Rücktritt von Duchac bietet eine Chance zum neuen Anfang

Die gegenwärtige Stimmung allerorten in Thüringen läßt sich in ein einziges Wort fassen — Erleichterung. Alle Beteiligten, einschließlich der Thüringer CDU-Fraktion, scheinen letztendlich froh, das politische Ende des ersten freigewählten Ministerpräsidenten, Josef Duchac, zwar mit Schrecken — aber immerhin — erreicht zu haben.

Zu stark war die Kritik an ihm geworden, zu weit waren selbst die Getreuesten von ihm abgerückt, hatte der immer ungeduldiger werdende Reformflügel der CDU die Suspendierung der Altlast Duchac gefordert. Doch es war wohl nicht so sehr die Verstrickung in die Vergangenheit, die letzten Endes den Ausschlag gegeben hatte; dem Tüchtigen wie Einsichtigen hätte man vielleicht alles verziehen. Selbst das Lob des Staates DDR noch im Oktober 1989 und den clownesken Auftritt in einem Stasi-Heim. Irgendwie machte das den Mann im höchsten Thüringer Amt sogar menschlicher. Ein bißchen Clownerie war schließlich immer dabei, in der alten DDR. Nicht hinzunehmen war aber die schier unglaubliche Ignoranz gegenüber der eigenen Mitverantwortlichkeit. Dieser Ministerpräsident war sich keiner Schuld bewußt. Ein Opfer, nicht der eigenen opportunistischen Vergangenheit, sondern finsterster Verschwörung gewisser Kreise, die er nie namhaft machte, aber in den Bürgerbewegungen und der SPD sah. Ein weiterer Grund für den längst fälligen Rücktritt war die augenscheinliche und ständig peinlicher werdende Führungsschwäche. Ein strahlend lächelnder Lockenkopf, der allerorten den Aufschwung pries, aber außerstande war, diesen auch wirkungsvoll zu unterstützen.

Nun endlich kann ein neuer Anfang gemacht werden. Auch in Thüringen. Die Sehnsucht danach im Lande ist groß und würde, wenn er denn konsequent geschähe, Zeichen setzen. Der Ruf nach Neuwahlen wird lauter. Sie könnten aber an den gegenwärtigen Machtverhältnissen wohl kaum etwas ändern. Die CDU bietet zur Zeit von allen Parteien das lebendigste Bild. Sie sollte nun all diejenigen zum Zuge kommen lassen, die nicht mit dem Rucksack einer dunklen Vergangenheit beschwert marschieren. Reformer und Reformen sind gefragt, doch kaum in Sicht. Man wird, wie in Thüringen üblich, den Weg des geringsten Widerstandes gehen und sich auf einen Kompromißkandidaten oder einen Import aus dem Alt-Bundesgebiet einigen. Letzterer freilich wäre nicht nur beim Wahlvolk ob des zu befürchtenden kolonisatorischen Eifers nicht sonderlich gefragt. Auch die hiesigen Machtgremien, zumindest der CDU, fürchten im Gefolge des nächsten Mannes auf dem Thüringer Kloßthron Gefahren um ihre Pfründe. Jeder neue Mann hätte schließlich seine eigene Klientel, und die gilt es vor allem zu versorgen. Großes Stühlerücken also demnächst im grünen Herzen Deutschlands, viele neue Gesichter, und wieder einmal die Verheißung eines neuen Anfangs. Henning Pawel

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