: Erinnerung am besten verdrängen
■ Ein Drittel der Deutschen glaubt, daß die Juden den Holocaust für ihre Zwecke ausnutzen/ US-Juden besorgt über eine Meinungsumfrage in Deutschland
New York (dpa) — Die Mehrheit der Deutschen (58 Prozent) ist nach einer Meinungsumfrage einer amerikanischen jüdischen Organisation dafür, die Erinnerung an die Judenvernichtung zu verdrängen. So erbrachte die Umfrage, daß gut ein Drittel der Deutschen (38 Prozent) daran glaubt, daß „die Juden den Holocaust für ihre Zwecke ausbeuten“, ein ebenso großer Prozentsatz der Befragten meint, daß Juden „heute wie früher zuviel Einfluß auf die Ereignisse in der Welt“ haben.
Zu diesen Ergebnissen kommt eine Meinungsumfrage, mit der das „American Jewish Committee“ (AJC) die Haltung der Deutschen in Ost und West zu den Juden und zu Israel erforschen wollte.
Vertreter der Organisation, die die Studie am Mittwoch in New York vorstellten, sprachen von „überraschenden und beunruhigenden“ Ergebnissen. Positiv bewertete AJC-Vizepräsident David A. Harris, daß in der jüngeren Generation wie auch bei den sogenannten Eliten die negative Haltung gegenüber den Juden weniger stark vertreten sei. Dies sei das Ergebnis „einiger bemerkenswerter Anstrengungen“, vor allem im Erziehungsbereich. „Aber, wie die Studie zeigt, muß offensichtlich noch viel mehr getan werden“, sagte Harris. Überraschend war, daß die Bewohner der ehemaligen DDR, deren Staatsführung Israel eher feindlich gegenüberstand, eine erheblich positivere Haltung gegenüber den Juden und dem jüdischen Staat an den Tag legten als ihre Landsleute im Westen.
So waren im Westen 57 Prozent der Befragten der Auffassung, daß Israel keine besonderen Ansprüche an Deutschland habe und wie jeder andere Staat behandelt werden sollte, im Osten aber nur 40 Prozent.
Daß die Juden den Holocaust ausbeuten, glaubten im Osten nur 20 Prozent der Befragten, im Westen demgegenüber aber 45 Prozent.
Das Amerikanisch-Jüdische Komitee hatte das amerikanische Markt- und Meinungsforschungsunternehmen D3 Systems und das deutsche Emnid-Institut mit der Durchführung der Studie beauftragt. Insgesamt seien — von 1. bis 15. Oktober — 1.992 Personen befragt worden: 995 Bürger und 50 Politiker im Westen des Landes, 826 Bürger und 51 Politiker im Osten.
Weitere Ergebnisse: 79 Prozent der Deutschen sind für ein Verbot antisemitischer Gruppen, 73 Prozent meinen, daß die Nazizeit in den Schulen behandelt werden sollte.
32 Prozent unterstützten die auch in einer umstrittenen UNO-Resolution aufgestellte Behauptung, daß „Zionismus gleich Rassismus“ sei. 65 Prozent der Befragten glauben daran, daß Antisemitismus heute in Deutschland ein Problem sei.
Eine positivere Haltung zu den Juden und zu Israel konnten die Interviewer bei den jungen und den besser gebildeten Deutschen sowie auch bei SPD-Wählern feststellen.
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