Dokumentation: Erfahrungen eines Unbeteiligten
■ Auf dem Heimweg: Jurastudent (28) von Polizei geschlagen
„Am 3.10.94 wollte ich mit einem Freund um 2.00 Uhr den Irish Pub im Ostertorsteinweg verlassen. Ein Polizeieinsatz direkt vor dem Lokal hinderte uns daran. Um 2.30 Uhr war der Einsatz vor der Gaststätte anscheinend beendet, und wir brachen auf und trennten uns. Vor der Gaststätte Brazil kamen mir vom Sielwall kommend mehrere Polizisten mit Schildern im Rückwärtsschritt entgegen und rieten mir vor dem Weitergehen wegen Störer ab. Auch der Weg über die Seitenstraßen zum Osterdeich konnte mir nicht als sicher genannt werden, so daß ich in die Gaststätte Brazil hineinging, um die Lage abzuwarten. In dem Lokal war ein gemischtes Publikum, und die Stimmung war gereizt.
Als ich zur Tür ging, um die Straße zu überblicken, hat mich einer von zwei Kellnern, die mich schon zuvor anpöbelten, ins Gesicht geschlagen, auf das linke Auge. Ich fiel die Stufe hinunter auf den Gehweg und prallte mit dem Kopf auf.
Zwei Bremer Polizisten, die hinzueilten, sprachen zwei Worte mit dem Täter und weigerten sich, meine Anzeige aufzunehmen und einen Krankenwagen zu rufen mit der Begründung: „Sie können ja wieder stehen, dann rufen Sie sich selbst einen“.
Stark benommen ging ich Richtung Innenstadt, um mich irgendwie durch die Seitenstraßen nach Hause zu bewegen. Da meine Brille zerbrochen war und ich Kopfschmerzen hatte, war dieses sehr schwer.
Etwa 50 Meter entfernt standen drei bis vier Polizei-Mannschaftswagen, die ich um Hilfe ersuchen wollte. Anscheinend der Gruppenführer hörte mich kurz an, allerdings kam einer der beiden ersten Polizisten mir nach und herrschte mich an: „Ich habe doch gesagt, daß Sie verschwinden sollen“. Darauf entfernte sich dieser.
Nun war ich mit dem Gruppenleiter, aus NRW wie ich am Ärmelwappen sah, und um die zehn Polizisten um ihn allein. Nun drohte mir dieser, ich solle verschwinden, da er mich sonst wegen Belästigung in Gewahrsam nehmen müsse. Als ich ihn darauf aufmerksam machte, daß es keine Arbeit für ihn bedeute, einen Krankenwagen zu rufen, packte er mich am Kragen und schlug mir zweimal mit der Faust vor die Brust und dreimal auf mein zuvor getroffenes Auge. Dies geschah vor den anderen Polizisten.
Als ich benommen an einen Mannschaftswagen wankte, herrschte mich ein anderer Polizist an: „Lehnen Sie sich nicht an den Wagen, das ist nicht Ihrer“.
Ein Bremer Streifenwagen, dessen Besatzung hinzukam, fragte die anderen Polizisten, ob sie Hilfe bräuchten (bei ungefähr elf gegen einen!) Der Gruppenleiter sagte daraufhin: „Den könnt ihr haben!“. Nun forderte ich den Gruppenleiter auf, mir seinen Namen und/oder seine Nummer zu geben, worauf er mit dem Zettel, auf dem die Namen der ersten Polizisten standen, in einem Wagen verschwand.
Kurz darauf übergab er mir den Zettel zusammengefaltet, und ich wurde mit dem Streifenwagen zum Roten-Kreuz-Krankenhaus gefahren. Im Streifenwagen sah ich mir den Zettel an und sah, daß der Gruppenleiter „Hänschen Klein 007“ darauf geschrieben hatte.
Im Krankenhaus wurde mein Kopf dreimal geröntgt, allerdings ohne Befund. Mir wurde geraten, in Kürze einen Augenarzt aufzusuchen, da das Auge sehr stark geschwollen ist, mehrere Äderchen geplatzt sind und ich ein sogenanntes „Doppelbild“ sah.
Anschließend gegen 6.00 Uhr erstattete ich Anzeige wegen Körperverletzung gegen den Täter im Lokal und gegen „Hänschen Klein“ wegen Körperverletzung. Das Original des Namenszettels verblieb im Revier, auf einer Kopie wurde mir der Verbleib des Originals quittiert.“
Michael König
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