Miethai & Co.: Entwurzelt
Abriss schafft Härten ■ Von Christiane Hollander
„Leben unter der Abriss-birne“ ist der Name einer Ausstellung, die zur Zeit an verschiedenen Orten in Hamburg zu sehen ist. Egal ob in Blankenese, Winterhude, St. Pauli oder Horn - die Abrissbirne bedroht MieterInnen in der gesamten Stadt. Selten sind versteckte schwere Mängel an der Bausubstanz Hintergrund für das Abrissbegehren des Vermieters. Meistens handelt es sich um Objekte, die vom Vermieter über Jahre vernachlässigt wurden und über einen geringen Standard verfügen.
Für die MieterInnen bedeutet die Abrissandrohung zunächst einmal Aufregung, Ärger und Warten. Denn der Vermieter muss erst bei der Stadt einen Zweckentfremdungsantrag stellen. Dieser Antrag muß gestellt werden, wenn der Vermieter eine Wohnung nicht zu Wohnzwecken nutzen will. Dann muss ein Abrissantrag gestellt und begründet werden, der vom Bezirk beschieden wird. Erst wenn diese Maßnahmen getroffen wurden, werden die MieterInnen direkt an dem Verfahren beteiligt. Sie erhalten eine Kündigung des Mietvertrages wegen Hinderung an einer wirtschaftlichen Verwertung nach § 564b BGB.
Das Bayrische Oberste Landesgericht hat entschieden, dass der vollständige Abbruch eines Gebäudes und der Neubau einer Wohnanlage eine wirtschaftliche Verwertung darstellen können (BayObLG WM 1993, 660; AG Köln WM 1991,170). Zusätzlich muss die Fortsetzung des Mietverhältnisses ein Hindernis für die Verwertung darstellen und dem Vermieter müssen durch den Fortbestand erhebliche Nachteile entstehen.
Neben der inhaltlichen Überprüfung der Kündigungsgründe haben die MieterInnen die Möglichkeit, der Kündigung gemäß § 556a BGB zu widersprechen und den Fortbestand des Mietverhältnisses zu verlangen, wenn die Kündigung eine unzumutbare Härte für sie oder ihre Familien bedeuten würde. Diese können u.a. in Schwierigkeiten bei der Beschaffung neuen Wohnraumes, in hohem Alter in Verbindung mit finanzieller Not, Verlust der Verwurzelung in der Umgebung oder Krankheiten liegen. Die Vorbereitung auf die olympischen Spiele gehören übrigens nicht dazu (LG Bonn, WM 92, 610).
Bei Einlegen des Widerspruchs müssen die Interessen des Vermieters gegenüber den Interessen der MieterInnen abgewogen werden. Entgegen anders lautender Gerüchte ist der Vermieter nicht verpflichten, anderweitigen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. In Sanierungsgebieten übernimmt der Sanierungsträger diese Aufgabe, wenn mit öffentlichen Mitteln gebaut wird.
Mieter helfen Mietern hat gemeinsam mit MieterInnen aus verschiedenen vom Abriss bedrohten Häusern sowie engagierten Menschen ein „Bündnis gegen Abriss“ gegründet. Betroffene und interessierte MieterInnen sind zu den Treffen herzlich eingeladen. Die Termine können bei MhM nachgefragt werden.
Christiane Hollander ist Juristin bei Mieter helfen Mietern, Bartelsstraße 30, 20357 Hamburg, Telefon 431 39 40
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