piwik no script img

Englische Woche kompakt

Zwischen den Spielen gegen Genf im Uefa- und Rot-Weiß Erfurt im DFB-Pokal rettet Hertha BSC bei Hansa Rostock ein unterkühltes Remis. Dass noch Tore fielen, ist dem Schiedsrichter zu verdanken

von MARKUS VÖLKER

Ein schönes Stück aufgeregter Fußballrhetorik lieferte die Schweriner Volkszeitung vor dem Spiel. „Da muss von der ersten Minute an massiv Druck gemacht werden“, forderte sie die Profis von Hansa Rostock auf. „Da muss ein solcher Sturm durch das Stadion fegen.“ Und weiter: „Da gilt es, im Mittelfeld und Angriff ein solches Feuer zu entfachen, das Hertha versengt und aus dem Stadion treibt.“

Der Sermon des Lokalblattes hatte seinen Ursprung nicht etwa darin, dass mit Hertha ein übermächtiger, unbezwingbarer Kontrahent den Rasen des Ostseestadions betreten sollte, dem nur mit äußerster Geschlossenheit beizukommen ist, sondern vielmehr lag die Ursache in Hansa Rostock selbst.

Trainer Friedhelm Funkel geriet nach der Niederlage in Nürnberg in Bedrängnis. Vorstand und Aufsichtsrat des Vereins sorgten unter der Woche für Unruhe. Am Ende stand ein Ultimatum fest: Holt Funkels Team vier Punkte aus den kommenden zwei Partien gegen Hertha und Wolfsburg, darf er die Übungseinheiten weiterhin leiten. Am Samstag reichte es schon mal zu einem Punkt, ganz ohne zündende Ideen und Einschüchterung des Gegners. Das Spiel mit dem Feuer blieb zunächst den etwa tausend rauchbombenden Hertha-Fans unter den 14.700 Zuschauern vorbehalten.

Man wird dem Spiel von Hertha BSC sicherlich nicht gerecht, wenn man es, wie die Schweizer Boulevardzeitung Blick nach dem Uefa-Cup-Spiel gegen Servette Genf, als „Steinzeit-Fußball“ brandmarkt. Der Kick der Hauptstädter gewinnt dennoch immer dann eine troglodytische Komponente, wenn Hertha das „Zelig-Syndrom“ übermannt, also eine rätselhafte Neigung, sich dem Spiel des Gegners bis hin zur Selbstaufgabe anzupassen. Was bei großen Teams ansehnliche Vorstellungen garantiert, zeitigte im Spiel gegen Abstiegsaspirant Hansa einen drögen Kick, der in der Weigerung beider Mannschaften zu erstarren schien, an diesem kalten Herbsttag ein Tor schießen zu wollen.

Allerdings gelüstete es Schiedsrichter Florian Meyer nach einem solchen, weswegen er in der 66. Minute übereilt in seine Pfeife blies und Elfmeter für Rostock gab. Kapitän René Rydlewicz verwandelte den Strafstoß. Spontan war Hertha geheilt vom Leiden der unheimlichen Anpassung, stürmte aufs Gehäuse von Torsteher Mathias Schober und wurde belohnt: Marco Rehmer schob ein zum Ausgleich in der 82. Minute.

„Eigentlich ist so ein Elfmeter ein Genickbruch“, diagnostizierte Trainer Jürgen Röber. „Aber dass man zurückkommt, zeichnet eben eine Mannschaft aus.“ Er lobte sein Team, das derzeit an der Komprimierung der englischen Woche arbeitet. 45 Stunden nach dem Genfer Match in Rostock folgt am Dienstag das Spiel gegen Rot-Weiß-Erfurt im DFB-Pokal.

„Zum Schluss hätten wir sogar noch gewinnen können“, sagte Manager Dieter Hoeneß und bemerkte dann: „Wir mussten nach dem Gegentor eben ein bisschen Feuer machen.“ Ein Feuer, das Hansa Rostock hätte entfachen sollen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen