: „Enger und schlimmer Korpsgeist“
■ Obwohl das Gericht „keinen Zweifel“ hatte, daß „Übergriffe“ verübt wurden, endete der Prozeß gegen 16 Polizisten nur mit milden Bewährungsstrafen gegen drei Beamte. Schelte für die Polizeiführung
Die Reihen der Hauptstadtpolizei sind fest geschlossen, wenn es gewalttätige Kollegen zu schützen gilt. Nach mehrwöchiger Beweisaufnahme wurden gestern drei von insgesamt 16 angeklagten Polizisten für schuldig befunden und wegen versuchter und vollendeter Strafvereitelung zu sechs Monaten Freiheitsstrafe bzw. 4.500 DM Geldstrafe verurteilt. Einer wurde verwarnt. Die übrigen Angeklagten im Alter zwischen 26 und 40 Jahren – vom einfachen Polizeimeister bis zum Polizeihauptmeister – waren zum Teil schon Anfang September freigesprochen worden. Von der ursprünglich 12 Punkte umfassenden Anklage wegen diverser Übergriffe auf Festgenommene ist damit kaum etwas übriggeblieben. Daß am Ende kein einziger Polizist wegen Körperverletzung im Amt verurteilt wurde, bedeutet jedoch nicht, daß es dies nicht gab. „Das Gericht hat keinen Zweifel daran, daß Übergriffe stattgefunden haben“, betonte der Vorsitzende des erweiterten Schöffengerichts, Hagen Sendt. In dem angeklagten 1. Zug der Direktionshundertschaft habe „ein so enger und schlimmer Korpsgeist“ geherrscht, „daß Straftaten passieren konnten, ohne angezeigt zu werden“. Nach dem Motto „Den letzten beißen die Hunde“ seien zum Schluß nur diejenigen verurteilt worden, so Sendt, „die am wenigsten damit zu tun hatten“.
Hauptbeweismittel in dem Prozeß war der 23jährige Polizeimeister Christian M., sowie ein Videofilm, den ein Polizist für private Zwecke von einem Einsatz in der Silvesternacht 1992/93 gedreht hatte. Auf die Aussage des Kronzeugen Christian M., der von zahlreichen Übergriffen berichtet hatte, mochte das Gericht kein Urteil stützen.
Der Grund sei aber nicht, daß M. wie von der Verteidigung behauptet, ein „unglaubwürdiger Spinner“ sei, sondern daß er von der Situation völlig überfordert gewesen sei, sagte Sendt. Der junge Mann sei im Ermittlungsverfahren „vollkommen allein gelassen worden“. Statt ihn auf die Widersprüche in seinen Aussagen hinzuweisen, hätten die Kripobeamten diese einfach „so stehenlassen“. „Wie soll man in so einer Situation noch einen klaren Gedanken fassen, wenn man so angefeindet wird“, fragte Sendt. Er verwies in diesem Zusammenhang darauf, daß die auf den Zuschauerbänken sitzenden Polizeikollegen M.s Aussage mit einem „makaberen Gelächter“ kommentiert hätten.
Das Gericht sei „mehr oder weniger gescheitert“. Außer „einer Mauer des Schweigens“ sei von den Angeklagten „nichts herübergekommen“, sagte der Richter. Auch die auf dem Videofilm eindeutig dokumentierten gewalttätigen Übergriffe von Polizisten seien keinem der Angeklagten konkret nachweisbar gewesen.
Der Film war, wie berichtet, im Direktionszimmer des 1. Zuges der versammelten Mannschaft vorgeführt worden. Das Gericht verurteilte aber nur drei der Angeklagten wegen Strafvereitelung im Amt, weil sich die übrigen darauf berufen hatten, den Raum bei der Vorführung verlassen gehabt zu haben. „Jeder weiß, daß es nicht so war“, sagte Sendt, „aber der Beweis dafür konnte nicht erbracht werden.“ plu
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