: Endlich wieder in WM-Form
Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft gewinnt in Kroatien mit 2:1 und spielt dabei wie einst in Asien: hinten Kahn, davor recht wenig. Weil es sich aber um den ersten Sieg im ersten Spiel des neuen Jahres handelt, ist Teamchef Völler zufrieden
VON FRANK KETTERER
Der Teamchef hatte gute Laune, und bei Rudi Völler ist das meist nicht schwer zu erkennen. Das ohnehin schon spitze Kinn scheint dann noch weiter nach vorne zu ragen, zudem ziehen sich die Backen leicht nach oben. Völlers Gesicht sieht dann ein bisschen nach Grinsekatze aus, nett, lustig beinahe, gelöst auf jeden Fall, und Fußball-Deutschland weiß in diesem Moment: Der Teamchef ist ganz zufrieden. Nun ist genau das in letzter Zeit eher selten vorgekommen, am Mittwochabend aber war es endlich mal wieder an der Zeit: Im zugigen Poljud-Stadion zu Split hatte Rudi Völler sein markantes Völler-Lächeln angeknipst, und dort strahlte es nun mit den Scheinwerfern der Fernsehkameras fröhlich um die Wette.
Es gab ja auch guten Grund für die gute Laune von Bundes-Rudi. Gerade hatte seine Auswahl mit 2:1 gegen Kroatien gewonnen, damit den ersten Sieg im ersten Spiel des Jahres erzielt, ist also entsprechend ruhmreich in die EM-Saison gestartet und hat obendrein die Nulldrei-Schmach letzten Herbst gegen WM-Vorrundenausscheider Frankreich getilgt. Da kann man sich als Teamchef schon mal drüber freuen; am besten aber dürfte Völler gefallen haben, dass das ZDF den Kick aus Freundschaft übertragen hatte, was den Vorteil mit sich brachte, das Rudi hernach nicht den beiden Miesepetern vom Ersten gegenübertreten musste, die noch in jeder Suppe ein Haar gefunden haben, was der Teamchef bisweilen mit einer Mist-und-Käse-Rede zu kontern weiß. In Split war jedenfalls weit und breit nichts zu sehen vom blond gezottelten Netzer und Unterhaltungskünstler Delling an seiner Seite, selbst Drei-Weizen-Waldi hatte den Ausflug nach Kroatien nicht mitgemacht. Stattdessen gaben sich der nette Herr Poschmann sowie der noch nettere Herr Kaiser die Ehre, was dem Teamchef allemal Angenehmes garantierte. Poschis Fragen sind an Harmlosigkeit ohnehin nie zu überbeiten, und auch der Franz gab sich jovial und sagte: „Das Jahr kann nicht besser beginnen als mit einem Sieg.“ Und, um dann doch noch ein bisschen was bekrittelt zu haben: „Die Kroaten hatten einige Chancen mehr, aber wir hatten Oliver Kahn. Oliver Kahn war der Unterschied.“
Dieser Satz war, wie alle Kaiser-Sätze, nicht nur von höchstem Fachwissen geprägt, sondern das aller Erfreulichste, was man dem Teamchef sagen konnte. Schließlich impliziert er nichts anderes als: Die deutsche Nationalmannschaft hat endlich wieder WM-Form erreicht. Hinten Kahn, davor wenig bis gar nichts – das hat vor zwei Jahren schon auf den Fußballfeldern Asiens zu ein wenig Ruhm gereicht. Und auch damals wurden auf dem Weg dorthin Gegner vom Kaliber Kroatiens aus dem Weg geräumt. Das Kaliber Kroatien beschrieb der Kaiser übrigens so: „Sie sind nicht das allerbeste Spitzenteam, aber sie sind bei der EM dabei.“ Dass im Sommer in Portugal auch noch 14 andere Teams dabei sind, Frankreich und Italien zum Beispiel, könnte hingegen ein kleines Problem werden, wie selbst Teamchef Völler in all seiner Freude nicht leugnen kann. „Wir haben gegen die Franzosen gespielt, wir haben gegen die Italiener gespielt. Leider haben wir jedes Mal verloren“, erinnerte sich Bundes-Rudi. Gut, dass seine Mannschaft am Mittwoch gegen Kroatien gespielt hat.
Und wirklich gut, dass es Kahn gibt, den Unterschied. In Split hatte der Mann im Kasten gleich zwei kritische Situationen zu erleben, neben all den Bällen, die er abwehren konnte: Bei der einen verspürte er „strahlende Schmerzen“ und als Folge derer „kein Gefühl mehr im Bein“, was aber „nichts Schlimmes“ ist für einen wie ihn, bei der anderen kam er zu spät und nicht energisch genug aus dem Kasten, was Neretljak nach 86. Minuten den verdienten Ausgleich ermöglichte. Den wichtigsten Beitrag zum Abend aber lieferte Kahn nach der Partie, als er den Netzer gab. „Sehr durchwachsen“ sei die Partie gewesen, stellte Oliver Netzer da fest, geprägt von „Licht und Schatten, Hell und Dunkel“. Ergo: „Wir müssen noch viel arbeiten, um in der Spitze mithalten zu können“, sprach Kahn, und dabei blickte er schon wieder so gefährlich drein, dass man sich freche Widerworte lieber gleich verkniff.
Besser jedenfalls ist das – und wahr sind Kahns Worte sowieso. Und wenn bei Teamchef Völler die allergrößte Freude über den ersten Sieg im ersten Spiel 2004 verflogen ist, wird er das schon auch erkennen, wahrscheinlich hat er es am Mittwochabend in Split schon getan. Fünf Monate vor Beginn der Fußballsause in Portugal hat sich die deutsche Mannschaft dort nämlich unvermindert als eine ziemliche Baustelle präsentiert. Und kleiner ist diese auch durch das Mitwirken von Didi Hamann und Torsten Frings nicht geworden, von dessen Rückkehr nach langer verletzungsbedingter Absenz sich der Teamchef so viel erhofft hatte. Vor allem das Mittelfeld, das ohne den grippekranken Michael Ballack auskommen musste, ließ das erneut uninspiriert erscheinen. Frings jedenfalls zeigte sich zwar redlich bemüht, blieb als Spielmacher jedoch weitgehend unauffällig, Hamann wiederum war zu sehr mit der Absicherung nach hinten beschäftigt, um auch noch nach vorne initiativ werden zu können. Schon so kam die deutsche Abwehr immer dann, wenn die Kroaten ihrerseits flott nach vorne spielten, erstaunlich schnell ins Wanken, vor allem Jens Nowotny erwies sich als ungewohntes Sicherheitsrisiko und von seiner Bestform weit entfernt. Dafür konnten zumindest Christian Wörns und der Stuttgarter Nationalmannschaftsnovize Philipp Lahm überzeugen. Von der Offensivabteilung hingegen konnte man das erneut nicht behaupten. Zwar erzielte Miroslav Klose nach 34 Minuten und ziemlich überraschend die Führung, und das noch nicht einmal per Kopf, vor allem Kollege Kuranyi aber präsentierte sich als ziemlicher Chancentod, die später eingewechselten Bobic und Lauth freilich sind kaum wirklich Alternativen. Da war es ganz gut, dass ausgerechnet Ramelow einsprang und mit einigem Glück den Siegtreffer just in der Schlussminute in die Maschen drosch, schon wegen der guten Laune von Rudi.
Die könnte durchaus noch länger anhalten, schließlich stehen als nächste Testkandidaten Belgien, Rumänien, Malta, die Schweiz und Ungarn an. Und dann? Dann kommt die EM in Portugal. Und mit ihr ganz andere Kaliber.