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■ Die Lust am Hochwasser und anderen KatastrophenEndlich ist Land unter!

Das Schöne ist nicht gut, sondern katastrophal. 1938 landeten die Außerirdischen in Amerika. Freudige Panik brach aus, die Nachricht, die aus dem Radio kam, stieß auf massenhaften Glauben. Zu Recht zählt Orson Welles, der sie erfand, zu den Größten der Filmgeschichte. Noch schöner ist die Katastrophe, wenn sie der augenscheinlichen Nachprüfung standhält. Nichts wie hin. Arg unterkühlt begann gestern die sonst gut informierte Frankfurter Allgemeine Zeitung ihren Bericht mit den Worten: „Das von den schweren Regenfällen der vergangenen Tage hervorgerufene Hochwasser hat am Mittwoch den Mittelrhein erreicht.“

Noch in dieser vorbeugend trockengelegten Sprache klingt eine unbezähmbare, anarchische Lust mit. Daran ist viel zu lernen und gar nichts zu kritisieren. Zu lernen ist vor allem, daß uns die Welt überhaupt nicht gefällt, in der wir leben. Im besten Fall ist sie langweilig. Aber endlich ist Land unter. Und tausend Ausreden werden wahr. Der Bus fährt nicht mehr, der Strom ist ausgefallen. Die Schule brennt.

Nun gut, Feuerwehrleute beschweren sich über Schaulustige. Damit werden sie ja wohl noch fertig werden. Teuer wird die Sache in jedem Fall, Versicherungen pflegen höhere Gewalt in ihre Ausschlußklauseln zu schreiben. Dafür lohnt es sich mal wieder, das Fernsehen einzuschalten. Das Wasser steigt immer noch, noch mehr Regen wird vorausgesagt. Vielleicht stürzt der Kölner Dom ein? Schwerindustrie überflutet, ganze Wohnsiedlungen unbewohnbar?

Besonders stramme Nachdenker schließen auf niedrige Instinkte und erfinden in der Erklärungsnot einen Trieb, den sie sofort unterdrücken müssen. Was aber auch ihnen am Hochwasser, den Außerirdischen und den Erdbeben so arg in der Seele zu schaffen macht, das ist gerade nicht die Gier nach Sensationen und auch nicht die Schadenfreude über das Unglück anderer. Schon deshalb nicht, weil wir wissen, daß es uns alle treffen kann. Wir spenden gerne. Wirklich hinreißend über alle Einsicht hinaus ist jedoch die Vision des Endes all der alltäglichen Schrecken, die wir nur zu gut kennen. Sie quälen uns weit mehr als der Anblick einstürzender Kaufhäuser.

Unheimlich tief sitzt deshalb die Hoffnung auf den großen Sturm und die apokalyptischen Reiter. Denn sie verkünden die Erlösung, die Botschaft also, die einer ebenfalls vielgeglaubten Legende zufolge zu eben dieser Jahreszeit in der Nähe von Bethlehem vernommen wurde. „Und die Hirten machten sich auf den Weg...“ Bei Redaktionsschluß hat die Hochwasserwelle Duisburg erreicht. Niklaus Hablützel

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