piwik no script img

■ Alija Izetbegović und Franjo Tudjman in BonnEndlich die Möglichkeiten nutzen!

Manche mögen monieren, daß ausgerechnet Bonn zum Treffpunkt für zwei der Kontrahenten des Krieges im ehemaligen Jugoslawien, dem kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman und dessen bosnischem Kollegen Alija Izetbegović, auserkoren worden ist. Andere wiederum sehen darin gerade ein positives Zeichen: denn die Deutschen werden sowohl von kroatischer wie auch von bosnisch-muslimischer Seite als die „besten Freunde“ in Europa angesehen. Die deutsche Politik wäre tatsächlich in der Lage gewesen, mäßigend auf den bosnisch-kroatischen Konflikt einzuwirken. Die Bonner schafften es aber nicht einmal, einen Botschafter nach Sarajevo zu schicken. Daß trotz der diplomatischen und politischen Versäumnisse von Außenminister Kinkel nun Bonn doch ins Spiel gekommen ist, zeigt lediglich an, daß in der dramatischen Lage, in der sich beide Staaten befinden, nach jedem Strohhalm gegriffen wird.

Der kroatisch-bosnische Konflikt, der seit April 1993 in einen offenen Krieg gemündet ist, bedroht nämlich die Existenz beider Gesellschaften. In den Krieg hineingetrieben wurde Kroatien durch die unverantwortliche Politik von Tudjman selbst, der schon vor der serbischen Aggression in Bosnien-Herzegowina der westherzegowinischen Führung unter Mate Boban freie Hand gegeben hatte, die Aufteilung Bosien-Herzegowinas aktiv zu betreiben. Daß die Verhandlungen Tudjmans mit dem serbischen Präsidenten Milošević über die Aufteilung Bosnien-Herzegowinas seit 1991 nur die Illusion nährten, die serbische Seite könne bewogen werden, die eroberten Gebiete in Kroatien wieder zurückzugeben, hat nun selbst in kroatischen Regierungskreisen zu Spannungen geführt. Und die können nur ausgeglichen werden, wenn die westherzegowinische Fraktion, die im kroatischen Staat und Militär stark vertreten ist, in ihre Schranken verwiesen wird. Denn Tudjman gerät in Gefahr, nicht nur gegenüber der bosnischen Armee militärisch zu verlieren, sondern erneut von dem serbischen Wahlsieger Milošević vorgeführt zu werden.

Ein gewichtiges Argument für einen Waffenstillstand müßte in Kroatien eigentlich die dramatische Lage sein, in der sich die zentralbosnischen Kroaten befinden. Denn seit einigen Monaten scheuen sich bosnisch-muslimische Militärs nicht mehr, die Waffe der „ethnischen Säuberungen“ in Zentralbosnien anzuwenden und, wie die Weihnachtsoffensive um Vitez zeigt, selbst anzugreifen. Die in den letzten Tagen zu beobachtenden Verstärkungen kroatischer Truppen nach Bosnien deuten darauf hin, daß in Zagreb alle Optionen offengelassen werden.

Es ist also höchste Zeit, auch von Bonner Seite Druck auf Tudjman auszuüben, um Kroatien vor verhängnisvollen Schritten zu bewahren. Und dazu gehört auch, daß die Verhandlungsführung von Owen und Stoltenberg jetzt endlich öffentlich von Bonner Seite in Frage gestellt wird. Wenn angesichts der Hungerkatastrophe in Zentralbosnien, in Sarajevo, in den Enklaven Srebrenica, Goražde, Zepče und Maglaj selbst der belgische General Briquemont mit dem Argument das Handtuch wirft, er lese die Beschlüsse des Weltsicherheitsrates nicht einmal mehr, dann ist es allerhöchste Zeit für die deutsche Politik, ihren durchaus vorhandenen Einfluß geltend zu machen. Bonner Druck müßte als erstes zwei Schritte bewirken: den freien Zugang von Hilfskonvois nach Zentralbosnien und die Öffnung des Flughafens Tuzla – wenn nötig, gegen serbischen Widerstand. Erich Rathfelder

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen