: Ende der Wirtschaftsreform in China?
■ Pekings Hardliner wollen das Verantwortlichkeits-System in den Staatsbetrieben wieder rückgängig machen / Es war ein Kernstück von Zhao Ziyangs ökonomischen Umbauplänen
Peking (afp) - Das „Verantwortlichkeits-System“, Aushängeschild der chinesischen Wirtschaftsreformen der 80er Jahre, soll in den großen Staatsunternehmen abgeschafft werden. Das geht aus einem jetzt in der amtlichen englischsprachigen Zeitung 'China Daily‘ erschienenen Artikel hervor. Demnach sollen die Verantwortlichkeiten an der Spitze dieser Unternehmen neu festgelegt und die direkte Kontrolle der Zentralregierung verstärkt werden.
Das „Verantwortlichkeits-System“, das 1984 vom Land auf die Städte ausgeweitet wurde, sah eine autonome Unternehmensführung vor. Den Direktoren der Betriebe werden weitgehende Entscheidungsbefugnisse eingeräumt, die Unternehmen für Umsätze und Verluste verantwortlich gemacht. Gleichzeitig waren die Parteisekretäre entmachtet worden. Nach Meinung von Beobachtern fügen sich diese Vorschläge in die von der neuen orthodoxen Führungsmannschaft in Peking gewünschte Umstrukturierung der Wirtschaft ein. Sie laufen den seinerzeit von Deng Xiaoping befürworteten Reformen zuwider, mit deren Umsetzung der nach dem Pekinger Massaker im Juni entmachtete Parteichef Zhao Ziyang begonnen hatte.
Das neue System, in dem eine Reduzierung der Steuern der maroden Staatsbetriebe um 20 Prozent anvisiert ist, sieht dem Bericht zufolge vor, daß die großen öffentlichen Unternehmen einen bestimmten Teil ihrer Gewinne an den Staat abführen und dafür regelmäßig mit den für sie notwendigen Mitteln und Rohstoffen versorgt werden. Das Mandat der Unternehmensleitung, das bisher auf fünf Jahre befristet war, soll auf unbegrenzte Zeit verlängert werden.
Die Misere der großen Staatsbetriebe besteht darin, daß sie einerseits Haupteinnahmequelle des Staates, andererseits chronisch defizitär sind und deshalb Unmassen von Subventionen verschlingen. Ihre Ausstattung ist häufig hoffnungslos überaltert, und ihre Produktivitätsziffern gehören zu den niedrigsten in der Welt. Am Samstag hatte ein hoher Parteifunktionär bekanntgegeben, daß die privaten Unternehmen im ländlichen Bereich zukünftig keine Staatskredite mehr erhalten und im Falle schlechter Betriebsführung „sofort“ geschlossen würden. Patrick Lescot
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