: Ende der One-Man-Show?
■ Ex-Präsident von Bangladesch, Ershad, für 120 Tage unter Hausarrest gestellt/ Haftbefehle für Minister und Mitarbeiter des Generals/ Wahlen im Frühjahr
Dakka/Berlin (taz/ips/afp) — „Ich weiß alles, was innerhalb des Landes und der Armee vor sich geht. Um es klar zu sagen: Was immer man in Bangladesch sieht, geht auf mich zurück — es ist eine One-Man-Show“, hatte General Hussain Mohammed Ershad noch Anfang dieses Jahres selbstsicher verkündet. Nach seinem erzwungenen Rücktritt in der vergangenen Woche wurde er auf Weisung des Interimspräsidenten Shehabbuddin Ahmed, des Obersten Richters Bangladeschs, am Mittwoch verhaftet und aus dem Militärbezirk in einen zivilen Wohnkomplex in Dakka unter Hausarrest gestellt.
Ershad und seine Ehefrau sollen für 120 Tage festgehalten werden. Tags zuvor wurde bereits sein Innenminister verhaftet. Haftbefehle gegen 16 enge Mitarbeiter des Ex-Präsidenten liegen vor, unter anderem gegen den Ex-Vizepräsidenten Moudud Ahmed und den ehemaligen Premier Kazi Zafar Ahmed. Die meisten von ihnen sind untergetaucht. Eine formale Anklage wurde noch nicht erhoben. Oppositionelle Studenten fordern ein sofortiges Tribunal und die Todesstrafe für Ershad und seine Frau wegen Machtmißbrauchs, Verletzung der Menschenrechte und Korruption. Die Interimsregierung hingegen will die Anklageerhebung auf die Zeit nach den Neuwahlen, die innerhalb von 90 Tagen stattfinden sollen, vertagen. Die Verhaftung sei erfolgt, um zu verhindern, daß Ershad sich ins Ausland absetze, heißt es in Dakka. Und: Er habe in den letzten Tagen versucht, eine Armeerevolte zu organisieren.
Acht Jahre lang hatte sich Ershad an der Macht gehalten — die längste Periode „politischer Stabilität“ seit der Unabhängigkeit Bangladeschs 1971. Seit er sich 1982 mit einem Staatsstreich an die Macht gebracht hatte, sorgte er dafür, die bis dahin so putschfreudige Armee fest im Griff zu halten, um nicht dem Schicksal seiner Vorgänger zu begegnen. Beide waren von Armeeoffizieren ermordet worden. Die Loyalität des Militärs sicherte er sich durch eine wirkungsvolle Kombination von Privilegien und Überwachung. Aktive und pensionierte Offiziere wurden in die verschiedensten Posten und Funktionen des zivilen Bereichs gehievt.
Ershad entwickelte auch ein dichtes und effizientes Netz staatlicher Überwachung. Es wird von zwei größeren Geheimdiensten betrieben, an deren Spitze jeweils ein aktiver General steht.
Der Sturz Ershads ist auch ein Erfolg der Studenten, die seit dem Beginn der Unruhen in Dakka und allen größeren Städten des Landes am 10. Oktober deswegen zunehmend Druck auf die Oppositionsparteien ausgeübt hatten. Und Anfang November hatten EG und USA Ershad vor der Ausrufung des Ausnahmezustandes gewarnt. Beide drohten mit dem Stopp der Entwicklungshilfe.
Nach dem ersten Jubel in Dakka über den Erfolg der Oppositionsbewegung stellt sich nun allerdings die Frage nach der weiteren Reaktion der Militärs. Es wird bezweifelt, daß nach dem Abtritt Ershads eine gemeinsame Strategie der beiden größten Oppositionsparteien, der Awami League und der Bangladesh Nationalist Party (BNP) gegenüber der Jatiya Partei Ershads erwartet werden kann. Deren Anführerinnen, die Tochter Mujibur Rahmans, des ermordeten ersten Präsidenten Bangladeschs, Sheikh Hasina Wajed, und Begum Khaleda Zia, die Witwe seines Nachfolgers Ziaur Rahman, haben bereits wissen lassen, daß sie zwar in der Opposition gegen das Regime Ershads einig sind, es darüberhinaus jedoch keine gemeinsame Basis gebe. Jutta Lietsch
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