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Emporkömmlinge wurden vom Court gefegt

Bei den Halbfinals der Australian Open bieten die Tennismänner lähmende Einseitigkeit: Edberg (6:1, 6:1, 6:2 gegen Wilander) und Ivan Lendl (6:4, 6:1, 6:2 gegen Noah) treffen sich im Endspiel / Noah überzeugte nur mit Worten und Gesten  ■  Aus Melbourne Bernd Müllender

Mats Wilander, dem der Tennissport nicht mehr so rechten Spaß macht, sei wieder da, hieß es einmütig nach seinem Triumph über Boris Becker. Und so mancher machte ihn schon zum heimlichen Turnierfavoriten. Ein vorschnelles Urteil: Wenn er denn tatsächlich für 48 Stunden wieder da war, so ist er seit gestern weiter weg denn je. In Grabeseile hetzte ihn sein Landsmann Stefan Edberg über den Platz, ganze 82 Minuten dauerte die Trainingseinheit, die 6:1 und 6:1 und immerhin 6:2 endete.

Wilanders häufigste Bewegung war das Kopfschütteln. Wenn er schon mal zum Schlag kam, zielte er immer dahin, wo Edberg stand mit seinen Krakenarmen, und der spielte seine Passierschläge zentimetergenau, knallte seine Volleys zurück fast ohne Fehler. Mats Wilander schien unter seiner neuen Schiebermütze mit jedem Spiel zu schrumpfen, die Schultern fielen zum Ende so tief, als sei hier ein alter Mann zuwerke. Es war seine vernichtendste Niederlage in allen bisherigen 155 Grand-Slam-Spielen.

„Einfach hilflos“ sei er sich vorgekommen, meinte Wilander, und es sei schlimmer gewesen als beim Davis-Cup in Stuttgart, „denn gegen Stefan spürst du immer die besondere Art von Hilflosigkeit, weil du denkst, du hast bei jedem Ballwechsel eine Chance, und dann hast du sie jedesmal doch nicht.“

Nur einmal machte Wilander mehrere Punkte in Serie, bei 0:5 im zweiten Satz und zwei Satzbällen gegen sich. Vermeintlich offensichtlich drosch Edberg in die Weite, um seinen Kollegen nicht „Zu-Null“ zu düpieren. Edberg, der sein Match nachher als „fast perfekt“ bezeichnete, bestritt aber, auch nur einen Punkt verschenkt zu haben. „Nachher wäre ich noch in Gefahr gekommen“, sagte er. „Sie lachen jetzt, aber es ist so.“ Edberg, der kühlste Perfektionist, wenn da nicht noch Ivan Lendl wäre, hatte indes ein bißchen recht: Jedesmal in den 18 bisherigen Spielen, wenn er gegen Mats Wilander auch nur einen Satz verloren hat, ging auch, verrät die Statistik, das gesamte Match verloren.

Der bedingungslose Ehrgeiz ohne jedes Pardon unterscheidet einen Topspieler von denen, die einfach nur zur Weltklasse dazugehören. Ivan Lendl, Edbergs Gegenspieler am Sonntag im Finale, fegte sein Opfer, den französischen Tennisartisten kamerunischer Herkunft Yannick Noah, genauso gnadenlos vom Platz, wenn er auch eindreiviertel Stunden brauchte und dem Rastamann sogar sieben Spiele ließ beim 6:4, 6:1 und 6:2.

Aus solchen einseitigen Zweikämpfen kann Noah indes unbeschwert von Siegeshoffnungen Unterhaltung zaubern. Er lacht über seine Fehler, wo sich andere verbissen ärgern, er legt eine Tanzeinlage auf der Grundlinie ein, wenn schon seine gazellenhaften Sprünge am Netz gegen Lendls Passierschüsse keinen Erfolg bringen, und er kokettiert mit einer betagten Netzrichterin, als sie zweimal hintereinander eines seiner vermeintlichen Aufschlagasse mit einem piepsigen „net“ zurückruft: Da bekommt sie den charmantesten Kußmund zugeworfen, dessen der schöne Yannick fähig ist.

Die Teenies im Publikum lieben seinen sehnigen Körperbau ohnehin, seine drahtigen Bewegungen, und Noahs Freundin bekannte pünktlich zum Halbfinale: „Ich weiß, wie schön er ist. Und ich bin stolz darauf, daß er für so viele ein Sexsymbol ist.“

Ivan Lendl war weder von Noahs Erotik noch dessen Schauspieltalent zu irritieren. Er versuchte wie immer die vielen Regungen, die auch ihn schütteln bei einem wichtigen Tennismatch, zu verbergen. Kurz vor Schluß lieferte er einen neuen Beleg für seine demonstrative Verbissenheit, als er, längst war das Spiel gelaufen, einen Ausball heftig reklamierte. „Du brauchst doch keine Punkte mehr“, lachte ihn Noah lautstark von der anderen Seite an, „schau doch mal rauf zur Anzeigentafel.“

Die Lacher auf seiner Seite hatte der Hüne auch in der Pressekonferenz. In Sydney, vor zwei Wochen, als er die Nummer eins noch überraschend bezwungen hatte und Turniersieger geworden war, „da war Lendl sehr nett, wirklich“, grinste Noah, „da hat er viel danebengeschlagen, da habe ich ihn sehr gemocht. Der von heute war nicht so nett.“ Punkt für Noah.

„In der Zeitung stand doch“, bemerkte ein australischer Journalist scheinbar gut recherchiert, „daß es heute ein sehr enges Match werden würde.“ Was er denn jetzt meine. „Ach“, meinte Noah, „weiß ich gar nicht.“ Warum? „Ja, dafür hätte ich die Zeitung ja erst einmal lesen müssen.“ Breakball gegen den Kollegen. Dafür kriegt er von Noah scherzhaft die Zunge rausgestreckt: Wahrscheinlich habe er es doch selbst geschrieben? „Ja, habe ich“, mußte der ertappte Vorab-Analytiker zugeben. Spiel, Satz und Sieg für Noah. Aber im Finale von Melbourne stehen andere.

Damen-Doppel, Halbfinale: Patty Fendick/Mary Joe Fernandez Brenda Schultz/Andrea Temesvari 6:3, 6:3; Jana Novotna/Helena Sukova - Gigi Fernandez/Robin White 6:1, 4:6, 8:6

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