■ Wahlen in Kroatien: Franjo Tudjmans letzter Triumph?: Emotionen mobilisiert
Noch einmal konnte das Zugpferd der Kroatisch- Demokratischen Gemeinschaft (HDZ), Präsident Franjo Tudjman, triumphieren. Doch die besorgten Gesichter in seiner Umgebung verrieten am Wahlabend auch, daß sich die HDZ langfristig auf unsicherem Terrain bewegt. Denn die wichtigsten Oppositionsparteien haben sich in vielen Landesteilen konsolidiert, in Istrien und Dalmatien sogar gewonnen. Angesichts eines Wahlsystems, das die stärkste Partei begünstigt, könnten sich bei einer Verschiebung von nur vier oder fünf Prozentpunkten die Mehrheitsverhältnisse völlig umkehren.
Der weitverbreitete Unmut über die Wirtschafts- und Sozialpolitik, über den Niedergang des Ausbildungssystems, über die undemokratischen Methoden der Regierenden wurde in der Wahlkampagne von der HDZ geschickt durch den Appell an die nationalen Gefühle überlagert. Und dies konnte nur gelingen, weil die Reintegration der nach wie vor von Serben kontrollierten Region in Ostslawonien noch nicht abgeschlossen ist.
Die meisten Kroaten wissen durchaus, daß die Teilnahme der serbischen Bevölkerung an den Kommunalwahlen noch keineswegs bedeutet, daß dieses 1991 von Serben eroberte Gebiet problemlos in den kroatischen Staat zurückkehren wird. Die Wahlen ändern nichts an der Tatsache, daß die Rückkehr der 80.000 damals vertriebenen Kroaten in ihre Heimat ungewiß bleibt. Viele Kroaten wissen, daß die UN mit ihrer Strategie, einerseits die serbische Bevölkerung mit Konzessionen zu beruhigen und andererseits starken Druck auf Kroatien auszuüben, die Interessen der kroatischen Vertriebenen übergehen. Falls sich der Reintegrationsprozeß sogar als Hinhaltemanöver herausstellen sollte – wofür einiges spricht –, wird in der kroatischen Bevölkerung nicht einmal mehr eine neue Militäraktion ausgeschlossen.
Wer will angesichts solcher Möglichkeiten die Führung wechseln? Vor allem nicht jene Kroaten, die den Krieg hautnah erlebt haben. In den ehemaligen Kriegsgebieten waren die Gewinne für die HDZ überdurchschnittlich hoch. Dem schwerkranken Franjo Tudjman ist es noch einmal gelungen, seinen Ruf als Gründer und Verteidiger eines unabhängigen kroatischen Staates in die Waagschale dieser Wahl zu werfen. Angesichts dieser Konstellation ist das Ergebnis für die kroatische Opposition sogar noch erstaunlich gut geraten. Erich Rathfelder
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