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Archiv-Artikel

Elsässer gegen Gebietsreform

FRANKREICH 57 Prozent der Wähler in zwei Departements stimmen bei Referendum gegen Vorhaben. Votum ist auch Folge der Pariser Steueraffäre

PARIS taz | Überraschend deutlich haben am Sonntag die Elsässer bei einem „Referendum“ eine Gebietskörperschaftsreform abgelehnt, die die Departements Ober- und Niederrhein (Haut-Rhin und Bas-Rhin) sowie die Region Elsass zu einer Struktur zusammenlegen sollte. Vor einigen Wochen hatten Umfragen eine Annahme mit rund drei Vierteln der Stimmen prognostiziert. Allenfalls war erwartet worden, dass die Vorlage an einer zu geringen Beteiligung scheitern könnte. Um in Kraft zu treten, hätte der Vorschlag in beiden Departements bei einer Beteiligung von mindestens 25 Prozent der eingeschriebenen Wähler angenommen werden müssen.

Das Projekt scheiterte am Unmut der Bürger. Mit 57 Prozent Neinstimmen im gesamten Elsass fiel die Vorlage klar durch, auch wenn sich im nördlicheren Niederrhein mit der Hauptstadt Straßburg eine Mehrheit dafür aussprach. Im Zweifelsfalle wollen die traditionell konservativ stimmenden Elsässer alles beim Alten lassen. Mit den politischen Parteien hatten die Trennlinien wenig zu tun. Dafür war vor allem die konservative UMP, die Sozialisten waren gespalten, dagegen nur die extreme Rechte und die radikale Linke. Am stärksten war die Opposition im Oberrhein in Colmar, wo offenbar viele als Folge der Reform einen Bedeutungsverlust befürchteten.

Der bürgerliche Chef der Region Elsass, Philippe Richert, macht das von Misstrauen geprägte Klima nach den Finanzaffären in Paris mitverantwortlich für seinen Misserfolg. Er befürchtet, dass Dezentralisierungsbestrebungen landesweit um Jahre zurückgeworfen worden sind. In Frankreichs Gebietskörperschaften müssten die Zuständigkeiten zwischen Zentralstaat, Region, Departements und interkommunalen Interessenverbänden neu definiert werden. Auch in Korsika, der Bretagne oder der Normandie wurde über eine derartige Fusion diskutiert. Solche Projekte dürften vorerst in der Schublade verschwinden.

RUDOLF BALMER