: Elfen auf Rollerblades
■ Deftige Gassenhauer für Kenner der griechischen Mythologie: Das Tivoli zeigt Shakespeares „Sommernachtstraum“als Musical mit Lichtpfeilen
In einem Affenzahn rasen die Elfen auf Rollerblades durchs Tivoli. Völlig außer Puste, müssen die Zauberwesen gleichzeitig singen. „Das klappt noch nicht so ganz“, meint Martin Lingnau auf der Probe. Aber bis zur Premiere sei schließlich noch genug Zeit, um seine frisch komponierten Gesangsnummern und die Choreographien von Jo Anne Endicott, einer langjährigen Mitarbeiterin von Pina Bausch, zu koordinieren.
Regisseurin Sigrid Andersson schaut kritisch zu. „In einem schmerzhaften Prozeß“hat sie mit Lingnau darum gekämpft, daß weniger gesungen wird. Insbesondere bei den Dialogen der Liebespaare und der Theateraufführung der Handwerker sei ihr das gesprochene Wort wichtig, denn in erster Linie möchte sie Shakespeares Sommernachtstraum auch in der Musicalfassung als Schauspiel verstanden wissen. Und zwar als „deftiges Volkstheater im elisabethanischen Sinne“. Aber auch für Kenner der griechischen Mythologie sei vieles zu entdecken: etwa bei der neu geschriebenen Anfangsszene, in der athenische Krieger in zerbeulten Uniformen eine Amazonenschar verfolgen. Der Kriegszug könne als böse Anspielung auf König Theseus' Machthungrigkeit verstanden werden – oder man amüsiere sich einfach über eine gelungene Slapstick-Jagd.
Vor zehn Jahren hat Sigrid Andersson die beliebte Shakespeare-Komödie schon einmal in der Diskothek „Trinity“inszeniert. Auch damals mit Musik und Tanz, aber ohne Gesang, den sie rigoros ablehnte. Monate hat es gedauert, bis sie vom Tivoli-Projekt überzeugt war. „Im Prinzip stehe ich auf Kriegsfuß mit dem Musical“, gesteht Sigrid Andersson freimütig. Beim Phantom der Oper möchte ich mich erschießen.“Aber von den so eingängigen wie komplizierten Melodien von Martin Lingnau und den knackigen Liedtexten von Edith Jeske ist sie begeistert.
Mehr als eingängig hört sich eine Melodie auf der Probe an. Wenn die Elfen „Ab in den Wald“singen, erinnert das frappierend an „Into the woods“aus dem gleichnamigen Musical von Stephen Sondheim. „Das kann nicht sein“, wehrt Martin Lingnau entschieden ab. „Die Musik von Sondheim liegt mir gar nicht.“Auch mit früheren Vertonungen des Sommernachtstraums von Henry Purcell bis Carl Orff hätten seine ohrwurmartigen Melodien nichts zu tun. Und stolz erzählt er von dem Erlebnis am Imbiß, als er beim Warten aufs Essen gedankenverloren vor sich hin pfiff. Kurz darauf summte der Koch dieselbe Melodie.
Und tatsächlich: Wenn Bernhard Hofmann in der Rolle des Amor mit bäriger Stimme „Ich bin die Kraft, die Chaos schafft“singt und ein Lichtpfeil durchs Theater schießt, bleibt das rhythmische Lied im Kopf. Vielleicht ist es doch nicht so absurd, wenn das Tivoli vollmundig behauptet: „Spätestens nach der Premiere werden die neuen Gassenhauer auf Hamburgs Straßen geträllert werden.“
Karin Liebe
Uraufführung: Mittwoch, 11. März, 20 Uhr, Schmidts Tivoli
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen