: El Salvador: Erdbebenopfer fordern Frieden
■ Auf einem „Marsch für den Frieden“, der am Samstag durch die vom Erdbeben verwüsteten Armenviertel San Salvadors zog, fordern die unabhängigen Gewerkschaften eine politische Lösung des Bürgerkriegs, um Gelder für den Wiederaufbau freizumachen
Von Ralf Leonhard
San Salvador (taz) - Ein vom unabhängigen Gewerkschaftsdachverband UNTS organisierter Marsch für den Frieden, der am Samstag durch die vom Erdbeben verwüsteten Armenviertel von San Salvador zum Präsidentenpalast führte, wurde zum Protest der Obdachlosen gegen die unzureichende Hilfe von Seiten der Regierung. Die UNTS forderte während der Demonstration, an der sich zehntausende von Personen beteiligten, und einer daran anschließenden Konferenz, die unter dem Motto „Auf der Suche nach dem Frieden“ stand, die Regierung auf, eine politische Lösung des Bürgerkriegs zu suchen, um Mittel für den Wiederaufbau freizumachen. Die christdemokratische Regierung unter Napoleon Duarte ihrerseits versucht seit Tagen, in ganzseitigen Zeitungsanzeigen die UNTS und die US–Delegierten auf der Konferenz als Parteigänger der Guerilla zu entlarven. Stärker als die Regierungspropaganda macht der UNTS allerdings der Austritt großer Teile des reformistischen Gewerkschaftsbunds UPD vor wenigen Tagen zu schaffen. Die UPD wurde Mitte 1980 vom christdemokratischen Gewerkschaftsdachverband für Lateinamerika CLAT und vom „American Institut for Free Labour Development“ (AIFLD) ins Leben gerufen und sollte Ersatz und Gegengewicht für die blutig unterdrückten linken Massenbewegungen sein. Die UPD hatte Duarte in seinem letzten Wahlkampf unterstützt. Deshalb wurde es als Zeichen des politischen Niedergangs des Präsidenten gedeu tet, als sie sich im vergangenen Februar mit einigen linksgerichteten Förderationen zur mächtigen UNTS zusammenschloß. Schon wenige Tage nach ihrer Gründung brachte diese 80.000 Menschen gegen die von Duarte dekretierten wirtschaftlichen Notstandsmaßnahmen auf die Straße. In einem Kommunique erläuterten die Führer der UPD, sie würden sich nicht „ausländischen Mächten“ unterwerfen. Der ehemalige Guerillakommandant Miguel Castellanos sprach in einem von der Regierung gesponserten Fernsehauftritt eine deutlichere Sprache: „Die UNTS wird bekanntlich von der FMLN–Guerilla manipuliert“. Marco Tulio Lima, Mitglied des UNTS–Exekutivkomitees und Generalsekretär des Genossenschaftsverbandes COACES schätzt, daß der UPD–Aus tritt die Basis der UNTS nur um etwa fünf Prozent geschmälert habe, die die größte UPD–Mitgliedsorganisation, die Indiovereinigung ANIS, nicht abgesprungen sei. „Es ist aber bestimmt kein Zufall, daß der Austritt ausgerechnet vor unserer Friedenskonferenz stattfindet“. Die Vermutung, daß verschiedene UPD–Führer von AIFLD gekauft worden seien, wurde vom Generalsekretär der Lehrervereinigung ANDES, Julio Cesar Portillo, ausgesprochen. Der Friedensmarsch durch San Salvador ist zwar keine Demonstration der ungebrochenen Stärke der UNTS gewesen, hat aber bei tausenden Obdachlosen, die bisher nicht organisiert waren, einen tiefen Eindruck hinterlassen. Gewerkschaftsführer rechnen damit, daß sich viele Erdbebenopfer der Bewegung anschließen werden.
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