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Eisbären beenden Winterschlaf

Eishockey-Bundesliga: EHC Eisbären – EC Ratingen 7:4 / Erster Sieg der Berliner mit neuem Coach / Ratingens Trainer Olejnik schämt sich  ■ Aus Berlin Peter Tietze

Im Sportforum Hohenschönhausen gehen die Uhren immer noch ein wenig anders. Hier wird immer noch das „Schiedsrichterkollektiv“ begrüßt, und die Fans der Eisbären feuern ihre Lieblinge immer noch mit einem dynamischen „Dinaaamo“ an. In den Pausen erklingen die schönen Weisen der „Puhdys“, zum Beispiel „Alt wie ein Baum möchte ich werden...“, oder aber die Hits der Leipziger „Prinzen“. Alles etwas kleiner als in den anderen Bundesligahallen, etwas familiärer, sogar die Werbung für Thüringer Spezialitäten vermittelt einen Hauch östlicher Geborgenheit.

Etwa 1.600 Fans hatten den Weg in die Eissporthalle gefunden, so wenige waren es noch nie, wohl wegen der Erfolglosigkeit der Berliner. Vier Spiele in Folge hatten sie nicht gewonnen. Die, die sich jetzt noch am Ende der Berliner Welt einfinden, sind der harte Kern der Anhänger.

Sieben Trainer haben die Eisbären seit 1991 verschlissen, der neue sportliche Leiter, Jaroslav Walter, soll den sportlichen Niedergang, das heißt den Abstieg des abgeschlagenen Tabellenletzten verhindern. Aber auch die ersten beiden Spiele unter dem neuen Trainer wurden gegen Rosenheim und Mannheim verloren.

Ein Sieg gegen den Mitbewerber um den Abstieg EC Ratingen war Pflicht, aber nicht zu erwarten, zumal Torjäger Jiri Dopitka (20 Saisontreffer) wegen eines Hexenschusses fehlte. Die Mannschaftsaufstellung der ebenfalls von einer Krise in die andere schlitternden Ratinger wurde von einem Fan mit den Worten kommentiert: „Spielen wir hier eigentlich gegen Rußland, oder watt?“ Immerhin acht Cracks aus der ehemaligen Sowjetunion spielen im Kader der Westdeutschen.

Im ersten Drittel drohte sich die Niederlagenserie der Berliner fortzusetzen. Die Eisbären gingen zwar schon in der dritten Minute mit 1:0 in Führung, kassierten jedoch im selben Drittel sowohl den Ausgleich als auch den 1:2-Rückstand zur Pause. Der neue Trainer der Eisbären reagierte und nahm den unsicheren Torwart Rupert Meister nach dem ersten Drittel vom Eis. Der neue Keeper André Dietzsch erwies sich als sicherer Rückhalt und vereitelte einige gute Chancen der Ratinger. Das zweite Drittel ging mit 3:1 an die Berliner. Im letzten Spielabschnitt ging es dann Schlag auf Schlag, drei Tore in drei Minuten, davon zwei für die Berliner. Das hatten die Fans sonst nur bei den Gegnern sehen dürfen.

Eine reine Energieleistung, denn schön spielten beide Mannschaften nicht. Eine Häufung von Stock- und Abspielfehlern auf beiden Seiten ließen immer wieder verdutzte Spieler vor ebenso überraschten Torhütern auftauchen. Nicht nur technische Fehler prägten das Spiel, sondern auch das ungeschickte Wechseln. Da sich die beiden Mannschaften hierin jedoch nichts nahmen, standen zeitweise nur vier Feldspieler auf dem Eis. Man wartete sowohl auf die eigene wie auch auf die gegnerische Mannschaft und paßte die Scheibe derweil gelangweilt hin und her. Jede der beiden Mannschaften hätte das Spiel gewinnen können, aber in der Eins-gegen-eins-Situation waren die Stürmer oft überfordert. Die Eisbären gewannen glücklich und letztendlich nicht unverdient mit 7:4, da sie mit mehr Einsatz bei der Sache waren und weniger Zeitstrafen kassierten.

„Einfach beschämend“, nannte Ladislav Olejnik, der ebenfalls neue Trainer der Ratinger, die Vorstellung seiner Mannschaft. „Nur drei, vier ältere Spieler wurden Erstliga-Ansprüchen gerecht.“

Das Happy-End für die Fans der Eisbären Berlin wurde nur durch einen Wermutstropfen verdorben: Der Konkurrent aus dem fernen Westen der Stadt, Preussen Berlin, hat nicht verloren. Trotz eines von den Fans in Hohenschönhausen begeistert bejubelten 1:3- Rückstandes des Lokalrivalen rettete der noch ein 4:4-Unentschieden bei Hedos München.

Ach ja, das „Schiedsrichterkollektiv“. In vorbildlicher Weise konnten die Genossen die Erfüllung ihres Sechzigminutenplanes vollziehen.

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