Einweihung der Pilotanlage: Algen filtern Kohlendioxid aus Abgasen
Pilotanlage in Hamburg eingeweiht: Millionen von Mikroalgen nehmen klimaschädliches CO2 aus einem Eon-Heizkraftwerk auf. Danach dient das Grünzeug selbst als Roh- oder Treibstoff.
HAMBURG taz Hamburger Forscher wollen dem Treibhauseffekt ein doppeltes Schnippchen schlagen. Sie haben eine Pilotanlage gebaut, in der Mikroalgen das Kohlendioxid (CO2) aus dem Abgas eines Blockheizkraftwerks fressen. Die so gewonnene Biomasse kann in Form von Biodiesel oder Methan wieder zur Energieerzeugung verwendet werden. Das Projekt wird vom schwarz-grünen Hamburger Senat und dem Energieversorger Eon Hanse finanziert. Am gestrigen Donnerstag ging es in Betrieb.
Ein Ortstermin: Auf einer Wiese im Hamburger Osten steht schräg gestellt eine beeindruckende, mehrere Quadratmeter große Tafel, die mit hunderten Litern hellgrüner Flüssigkeit gefüllt ist. Die Tafel ist an einen Mast montiert, der sie an der Sonne ausrichtet. In der Flüssigkeit steigen große und kleine Blasen auf. Es blubbert und quietscht rhythmisch. Das Grün rührt von Millionen von Mikroalgen der Art Chlorella hamburgensis her. Große Luftblasen wirbeln sie in der großen Anlage ständig durcheinander, so bekommt jede Alge gleichviel Sonnenlicht ab. Permanent werden kleine CO2-Blasen aus dem Abgas des Kraftwerks hineingeleitet. Die Algen nehmen das Kohlendioxid auf, sie brauchen das und das Sonnenlicht zum Wachsen. Neben dieser Anlage des Forschungsnetzwerks Term (Technologien zur Erschließung der Ressource Mikroalgen) steht noch eine einfacher konstruierte, starre Anlage der Firma Subitec, einer Ausgründung des Fraunhofer-Instituts.
Im Sommer ließen sich in der Anlage 1 Gramm Algen pro Liter Wasser am Tag erzeugen, sagt Peter Ripplinger von Subitec. Auf einem Hektar Anlagenfläche erwarten die Planer eine Jahresproduktion von 450 Tonnen Algen, wobei für jedes Gramm Algen 2 Gramm Kohlendioxid absorbiert werden. Für ein CO2-freies Kohlekraftwerk wäre das zu wenig. "Um ein Kraftwerk wie Moorburg CO2-frei zu machen, würde die Fläche Hamburgs nicht ausreichen", sagt Dieter Hanelt, der als Biologe der Universität Hamburg an dem Projekt beteiligt ist. In Hamburg-Moorburg hat der Energiekonzern Vattenfall den Bau eines Steinkohlekraftwerks mit 1.640 Megawatt Leistung beantragt. "Was die biologische Abscheidung von CO2 anbelangt, stehen wir ganz am Anfang", sagt Berhard Fischer, Vorstand von Eon Hanse.
Trotzdem verspricht sich Biologieprofessor Hanelt von den Mikroalgen eine technologische Revolution. Denn die winzigen, im Wasser treibenden Pflanzen aus nur wenigen Zellen verwerten das Sonnenlicht zehnmal besser als Kulturen an Land und 30-mal besser als die natürliche Vegetation. Damit haben sie das Zeug, zu einer neuen Rohstoffquelle zu werden. Ihr Vorteil: "Sie stehen nicht im Wettbewerb zur Nahrungsmittelproduktion", sagt Eon-Hanse-Vorstand Fischer.
Dabei ist die Biomasse, wie sie in den Hamburger Reaktoren erzeugt wird, vielseitig verwendbar. Statt sie als Treibstoff zu verwerten, könnten sie auch in Chemiefabriken genutzt werden. Schon heute werden aus Algen Düngemittel, Farbstoffe oder Vitamine gewonnen. In der Ausnutzung der Sonnenstrahlung sind die Pflanzen mit einem Wirkungsgrad von 8 bis 9 Prozent zwar deutlich schlechter als Solarzellen. "Aber ein Solarzelle macht nur Strom", sagt Hanelt.
Doch noch sind viele Fragen offen: Wie lassen sich Flächenbedarf und Baukosten verringern? Wie können Lichtausbeute und Nährstoffversorgung verbessert werden? Und wie kann man die winzigen Algen aus dem Wasser fischen? Mit dem Pilotprojekt sollen diese Probleme der neuen Technologie erforscht werden.
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