: Einwanderung sorgt für Streit in Italien
Das „klassische“ Land wilder Immigration sucht die Einwanderer durch Generalamnestie in den Griff zu kriegen ■ Aus Rom Werner Raith
Die Diskussion um ein neues Einwanderungsgesetz für Nicht-EG -Länder hat die Koalition tief gespalten. Während Christ und Sozialdemokraten, Sozialisten und Liberale den bereits im Lande weilenden schätzungsweise 900.000 illegalen Immigranten - mehrheitlich Afrikaner - eine Generalamnestie gewähren wollen, sofern diese sich freiwillig melden, und zudem die Zuweisung ordentlicher Wohnungen versprechen, sehen die industrienahen Republikaner (PRI) in solchen Maßnahmen wenig Sinn: „Bereits dreimal haben wir eine Amnestie angeboten - aber nicht einmal zehn Prozent der Illegalen haben davon Gebrauch gemacht“, sagt PRI-Chef Giorgio La Malfa, „die Folge war lediglich, daß immer noch mehr Zuwanderer eingesickert sind, weil sie ja wissen, daß wir irgendwann wieder Legalisierungsangebote machen werden.“ Der Gegenvorschlag strikter Visumpflicht und genauer Zuwanderungsquotierung hat den Republikanern den Vorwurf des Rassismus eingebracht. Doch so einfach liegen die Dinge auch wieder nicht. Isoliert, wie sich das Gesetz präsentiert, wird es nämlich die Not der Zuwanderer kaum lindern.
Italien ist ein „klassisches“ Land wilder Immigration: Es gibt keine Sanktionen für illegale Anwesenheit, und so kommen selbst mehrmals Abgeschobene mit dem nächsten Fischkutter wieder zurück. Da die meisten nur saisonal beschäftigt werden, entsteht ein kaum mehr kontrollierbarer Fluß von Zu- und Abwanderern. Daß sich nur wenige auf den Amnestievorschlag melden, rührt wiederum daher, daß sie dann Abgaben bezahlen müßten - bei Tageslöhnen von oft nicht einmal 15 DM unmöglich. Auch der Regierungsvorschlag, 15 Prozent aller künftigen Sozialbauten Einwanderern zur Verfügung zu stellen, hat eher kontrapoduktiven Charakter in einem Land, wo es schon schwere Prügel selbst für die im Freien nächtigenden farbigen Strandhändler gibt und bereits mehrere Morde geschehen sind. La Malfa: „Können wir den Italienern gerade noch einreden, daß die Leute aus Afrika ihnen keine Arbeitsplätz wegnehmen, weil ihre Arbeit ja sonst niemand will, so gilt das nicht bei der Wohnungszuweisung; schließlich suchen hier sowieso schon mehr als zwei Millionen Familien eine ausreichende Unterkunft.“
Zahlreiche, zum Tei überaus aggressive Demonstrationen gegen das Gesetz vor allem in Oberitalien zeigen, welche sozialen Spannungen bereits bestehen. Daß das Problem nicht mit plakativen Formeln zu beseitigen ist, zeigt auch die Ratlosigkeit der Opposition: Obwohl Kommunisten, Grüne, Radikale und Demoproletarier die Einwanderungsfrage nur „innerhalb eines umfassenden sozialen Kontextes“ zu lösen sehen, ist es ihnen nicht gelungen, einen einigermaßen praktikablen Gesetzentwurf einzubringen.
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