piwik no script img

Einvernehmlicher SexBekommen, nicht nehmen

Das „Nein heißt nein“ als Schlagwort gegen sexuelle Gewalt hat sich weiterentwickelt. ­Heute geht es um Enthusiastic consent, engagierte Zustimmung,

Kommunizieren durch Vortasten, genaues Beobachten der Reaktion der oder des anderen Foto: Sharon McCutcheon/Unsplash

A ustesten von Grenzen beim Sex ist nichts Ungewöhnliches. Gerade das Tabu macht die Lust. Das höre ich nicht nur von Menschen, die sich explizit als kinky oder Fetischist*innen bezeichnen. Unproblematisch, ja sogar schön ist das, wenn es in gegenseitigem Einverständnis passiert. Aber wie stelle ich dieses Einverständnis, in der Szenesprache consent genannt, eigentlich her?

Man könnte meinen, dass wir alle wissen, wie man zu einem Einverständnis zwischen Menschen kommt. Trotzdem erzeugt der Begriff consent immer wieder Fragezeichen. Müssen wir jetzt alle vor dem Sex juristisch geprüfte Verträge unterschreiben? So raunte man zu Beginn der #MeToo-Bewegung und immer wieder, wenn ein Promi mit Vorwürfen konfrontiert war, zu weit gegangen zu sein.

Das „Nein heißt nein“ als Schlagwort gegen sexuelle Gewalt hat sich weiterentwickelt. ­Enthusiastic consent, engagierte Zustimmung, ist mittlerweile häufiger im Gespräch als die bloße Abwesenheit eines Neins. Engagiert bedeutet, dass das, was passiert, von beiden deutlich initiiert wird.

Nicht unbedingt muss diese engagierte Zustimmung ausgesprochen werden. In der kinky Welt ist es zwar längst üblich, viel expliziter über das zu verhandeln, was im Blümchensex ungesagt bleibt. Wo sind deine Grenzen? Was möchtest du machen? Was kann ich tun, damit du dich sicher fühlst? Aussprechen gilt als Stärke, nicht als Schwäche. Aber consent ist immer auch nonverbal. Intime Part­ner*innen kommunizieren durch Vortasten, genaues Beobachten der Reaktion der oder des anderen. Ein Körperteil, das einer angedeuteten Berührung entgegenkommt, kann Zustimmung signalisieren.

Drüber sprechen ist Stärke, nicht Schwäche

Eine Wange, die nach einem leichten Klaps wieder hingehalten wird, kann um den nächsten, stärkeren bitten. Manchmal führt eine Hand die andere kaum merklich, aber bestimmt, an den eigenen Hals.

Die Unsicherheiten in Bezug auf consent kommen daher, dass wir Sex als etwas kennengelernt haben, das man sich nimmt

Dennoch wird der Punkt kommen, an dem gesprochen werden muss. Nicht zwingend für den Abschluss von Verträgen, sondern so, wie man eben spricht mit Menschen, deren Wohlbefinden einem am Herzen liegt. Wie geht es dir damit? Bist du okay?

Es braucht keine Fortbildung und keine spezielle Sprache für einvernehmlichen Sex, es genügen Vokabeln allgemeiner Freundschaftlichkeit. Die Unsicherheiten in Bezug auf consent kommen nicht daher, dass uns die Worte fehlen. Sie kommen daher, dass wir (vor allem Männer, aber nicht nur) Sex als etwas kennengelernt haben, das man sich nimmt. Einvernehmlicher Sex ist etwas, das man bekommt. Und wenn man etwas nicht bekommt, dann ist das okay. Es ist keine Schmach, kein Scheitern, und es ist vor allem nicht die Schuld der Person, die es nicht geben will.

Wenn man so über Sex nachdenkt, ist ­consent nicht so schwer. Was leider nicht heißt, dass Missverständnisse ausgeschlossen sind. Aber klar ist: Wenn man sich unsicher ist, ob gerade consent besteht, dann besteht keiner.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Peter Weissenburger
Autor
Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Medien.
Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Ich denke, im Leben ist es doch den meisten völlig klar, dass man nicht einfach jemanden begatten kann, nur weil die betreffende Person nicht explizit "Nein" gesagt hat. Auch wenn das mit dem "enthusiastischen Konsens" ein recht neumodisches Wortungetüm ist, ist das Konzept doch wohl schon lange sehr geläufig und die wenigsten kämen auf die Idee, nicht-einvernehmlichen Geschlechtsverkehr in Ordnung zu finden. Man begattet allenfalls Personen, von denen man sicher weiß, dass sie das auch wollen, ansonsten ist es eine Vergewaltigung. Sowas macht man nicht, so einfach ist das im Leben.

    Was die Juristen draus machen und was sie für Gesetze haben, an die sie sich halten müssen, ist eine andere Frage. Da spielt wahrscheinlich neben der ethisch-moralischen Frage auch die Frage mit hinein, was nachweisbar ist und dass es vielleicht sinnvoll ist, zwischen unterschiedlichen Schweregraden eines Übergriffes zu differenzieren.

    Solche Schwierigkeiten in der juristischen Aufarbeitung sind wahrscheinlich eher der Grund, warum im Gesetz noch "Nein heißt Nein" steht und nichts von aktiver Zustimmung. Im echten Leben gehe ich davon aus, dass man nicht von einem hohen Anteil toxischer Vergewaltigungs-Beziehungen ausgehen kann, sondern durchaus die meisten miteinander kommunizieren, ob nun Verkehr stattfinden soll oder nicht, und wenn ja wie, und dass sie das auch selbstverständlich finden.

  • Zitat: „Die Unsicherheiten in Bezug auf consent kommen nicht daher, dass uns die Worte fehlen. Sie kommen daher, dass wir (vor allem Männer, aber nicht nur) Sex als etwas kennengelernt haben, das man sich nimmt.“

    Für diese Erkenntnis bekommt der Kandidat von mir 100 Punkte - und einen Vertrauens-Bonus obendrauf. Mal schauen, was er damit macht.

    Einvernehmen ist eine Frage des Gleichgewichts. Immer gewesen. Dass manche Menschen sch... äh: pfeifen auf das Gleichgewicht, ist Folge einer Ideologie der Stärke. Wobei das Wort Stärke in dem Fall eine glatte Lüge ist. Genau solche Lügen machen ja den Unterschied aus zwischen einer Tatsache und einer Ideologie.

    Nicht der ist stark, der sich mehr nehmen kann, als er freiwillig bekommen hätte. Stärker ist jedenfalls der, der klar kommt, wenn er etwas (noch) nicht bekommt. So jemand hat nämlich in der Regel eine Wahl zwischen mehreren halbwegs gleichwertigen Alternativen. Wer stehlen muss, rauben oder betrügen, hat keine Wahl. Zumindest glaubt er das, sonst würde er nicht glatt verzichten auf das positive Gefühl, ein netter Mensch zu sein.

    Das Dumme ist, dass grade Leute, die sich schwach und/oder unfrei fühlen, dieses Gefühl ganz dringend kompensieren müssen. Und meistens haben sie nichts anderes gelernt als eben solche toxischen Strategien. Sie waren selbst auch Opfer von Opfern, die geglaubt haben, Arschlöcher sein zu müssen. Auch, weil es eine Ideologie gibt, die sie dafür feierte.

    Wie stellt mensch Einverständnis her in einer Welt, in der gelogen und betrogen wird, dass sich die Balken biegen? Verbal ganz sicher nicht. Nonverbal also? Nicht unbedingt. Vertrauen ist vor allem zweierlei: Eine Frage der Zeit und eine Frage positiver Erfahrungen. Vertrauen muss verdient werden. „Rantasten“ ist also sicher keine schlechte Idee. Ungeduld schon. Vertrauen ist schließlich leichter zerstört als aufgebaut. Und dann steht wieder eine Schuldfrage im Raum, die Schmach, das Scheitern, die man sich nicht eingestehen will.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    "Da war's um ihn geschehn;



    Halb zog sie ihn, halb sank er hin



    Und ward nicht mehr gesehn. "

    • @4813 (Profil gelöscht):

      Korrektur - Volkers 👄 -

      “…halb zog sie ihn - halb er sie aus…“

      kurz - Voll Enthusiastic consent - wa! 👻

  • Lustig, klingt nach machtfreiem Dominieren. Oder ist es nicht paradox, um ihre/seine Zustimmung zu bitten, eine übersteigerte und als Lust empfundene körperliche Zumutung (Gewalt) auszuteilen oder entgegen zu nehmen. Wie man mit legislativen Akten über Gewalt Einigung erzielt, werden Machtstrukturen in Räume hineingetragen, die sich staatlicher Kontrolle entziehen. Siehe Selbstoptimierung! Reden wir noch über Sex (Erotik)?

  • Danke für dieses implizite positive Statement zur Prostitution. In keiner anderen sexuellen Situation verständigt man sich klarer über das, was man gemeinsam vorhat.

  • Klar & Was nicht is - kann ja noch werden - oder auch nicht. Hauptsache.

    kurz - Gute Verrichtung - Fox in the Box.

    unterm——- Come on baby light my fire *



    www.google.de/sear...e-de&client=safari



    In Köln auch für Fahrräder geplant - 😱 -



    (“ Verrichtungsboxen sind abgeschirmte Parkplätze, die einer Garage ähneln und Prostituierten die Möglichkeit bieten, ihre Freier zu bedienen. Die Freier fahren mit ihren Autos in die Box, in der sie vor fremden Blicken geschützt Sex haben können. Es gibt auch Container für Freier ohne Auto.“



    Däh - & Das wird. Enthusiastic consent. Vertrach is Vertrach. Newahr. - 🥳 -



    Normal - Non-&Vèrbal & haut‘s denn doch nicht hin.



    Nú. Wie heißt es doch bei so Sachen - im Engadin:



    “Dess is vérbal nicht zu packen!“

    Na Mahlzeit - *



    www.youtube.com/watch?v=AMCl9eOBlsY