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Einsamer Übertritt, mühsamer Wahlkampf

Ida Schillen, bislang grüne Abgeordnete, kandidiert bei der Wahl im Oktober für die „Demokratische Linke“. Die Kleinstpartei aus dem Bezirk Friedrichshain hat derzeit 30 Mitglieder  ■   Von Sabine am Orde

Auch die Einlösung von Wettschulden hat einmal ein Ende: Ida Schillen, bislang bau- und lesbenpolitische Sprecherin der bündnisgrünen Fraktion, ist gestern aus ihrer Partei ausgetreten. Bis zu den Abgeordnetenhauswahlen im Oktober wird die entschiedene Kritikerin der Nato-Luftangriffe auf Jugoslawien als Parteilose in der Fraktion verbleiben. Dann wird sie für die neugegründete Partei „Demokratische Linke“ (DL) kandidieren, die es bislang nur in der Friedrichshainer Bezirksverordnetenversammlung (BVV) gibt. Das teilte Schillen dem grünen Landesvorstand gestern in einem offenen Brief mit.

Bei den Grünen eingetreten war Schillen als Folge einer Wette, die sie Ende 1990 einging, als sie noch persönliche Referentin der von den Grünen nominierten Frauensentorin war. Wenn der rot-grüne Senat das umstrittene Antidiskriminierungsgesetz noch beschließen würde, so wettete sie damals, werde sie in die Partei eintreten. Das Gesetz wurde beschlossen, Schillen löste ihre Wette ein – „weil das eindeutig als Erfolg grüner Politik und grüner Regierungsbeteiligung zu werten sei“.

Davon hält die Linke heute nicht mehr viel. „Die Grünen haben in zentralen Politikfeldern eine Kehrtwendung um 180 Grad vollzogen“, begründet sie ihren Parteiaustritt. Linke Politik will sie jetzt in der DL machen. Ihre Hoffnung, daß andere Abgeordnete den Schritt gemeinsam mit ihr gehen, erfüllte sich nicht. „Alle anderen, mit denen wir Gespräche geführt haben, haben abgesagt“, sagte Andreas Fichtner von der DL. Judith Demba, die die Grünen bereits verlassen hat, will die DL zwar unterstützen, aber nicht kandidieren. Ismail Kosan, der von seinen ParteifreundInnen auf einen aussichtslosen Listenplatz verdammt wurde, will dennoch für die Grünen Wahlkampf machen.

Die DL, die sich Anfang des Jahres als Partei gegründet und derzeit etwa 30 Mitglieder hat, ist aus einer Abspaltung der offenen Liste der PDS in der Friedrichshainer BVV entstanden. Fünf Mitglieder hat die Fraktion derzeit, eines davon kam von der SPD. Um bei der Abgeordnetenhauswahl die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen, müßte die DL etwa 100.000 Stimmen bekommen. „Aussichtslos“ nennt Gero Neugebauer, Parteienforscher an der Freien Universität (FU), dieses Unterfangen. Das weiß auch Schillen: „Das ist ein harter Weg, aber wenn man etwas Neues wagen will, ist das jetzt der richtige Zeitpunkt.“ Sie hofft vor allem auf die WählerInnen, die bislang die Grünen gewählt haben. Aber auch bei der PDS und der SPD will die DL KandidatInnen und Stimmen fischen. „Wir wollen demokratischer sein als die PDS, friedlicher als die Grünen und sozialer als die SPD“, so Eckehart Ehrenberg, der in der Friedrichshainer BVV sitzt.

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