: Einsame Höhenflieger unter Pleitegeiern
Trotz der Luftfahrtkrise geht es Billiganbietern wie Easyjet bestens. Dem Ferienflieger LTU droht dagegen die Pleite. Lufthansa reduziert ihre Flüge
BERLIN taz ■ 26 Prozent mehr Passagiere als im Vorjahr, 82 Prozent mehr Gewinn: von diesen glänzenden Zahlen, die gestern der britische Billigflieger Easyjet vorlegte, können die meisten Fluggesellschaften zurzeit nur träumen. Von British Airways über Air France bis hin zur Lufthansa – alle kämpfen sie derzeit dagegen, in die roten Zahlen zu rutschen. Für den Düsseldorfer Ferienflieger LTU geht es sogar ums Überleben.
Nach einem Bericht der Financial Times Deutschland steht er kurz vor der Pleite. Angeblich ist LTU nur noch bis Mitte November zahlungsfähig. Der Rewe-Konzern, der 40 Prozent der Anteile hält, sei nicht bereit, frisches Geld zu investieren. Eine 300-Millionen-Mark-Bürgschaft des Landes Nordrhein-Westfalen ist laut Rewe-Chef Hans Reischl die letzte Rettungsmöglichkeit. LTU meldete, mindestens noch bis Ende des Jahres fliegen zu können.
Erst am vergangenen Freitag hatten sich die Chefs der deutschen Fluggesellschaften mit Verkehrsminister Kurt Bodewig zu einem „Erfahrungsaustausch“ (Bodewig) über die schwierige Lage der Luftfahrt getroffen. Der Fall LTU zeigt, dass längst nicht nur die Swissair und die belgische Sabena bedroht sind. Diese wären ohne staatliche Hilfe schon längst am Boden. Dabei widersprechen die Subventionen streng genommen dem Wettbewerbsrecht der Europäischen Union. Frühzeitig warnte die EU-Kommission, dass die Unternehmen nur sehr begrenzte Nothilfen bekommen dürften. Auf Dauer gebe es in Europa keinen Platz für vierzehn nationale und zahlreiche regionale Fluglinien, sagte die EU-Verkehrskommissarin Loyola de Palacio kürzlich.
Inzwischen hat der Verband der Europäischen Fluggesellschaften (AEA) aktuelle Zahlen zur Entwicklung des internationalen Flugaufkommens vorgelegt. Vom 10. September bis zum 14. Oktober ging der Verkehr massiv zurück, Tendenz weiter negativ. Auf Strecken über den Nordatlantik brach das Passagieraufkommen um über 36 Prozent ein, in Richtung Asien um fast 15 Prozent und innerhalb Europas um knapp 10 Prozent. Auf mindestens 2,5 Milliarden Euro schätzt die AEA die Verluste ihrer 29 Mitgliedsunternehmen bis Ende des Jahres.
Die Zahlen der AEA zeigen aber auch, dass die Krise der Luftfahrt nicht erst im September begann. Schon zuvor litten zahlreiche Anbieter unter Einbußen im Passagieraufkommen. Der Grund ist die nachlassende Dynamik der Weltwirtschaft (siehe Interview).
Viele Fluggesellschaften haben Überkapazitäten. Den Beginn des Winterflugplans am vergangenen Sonntag nutzten fast alle, um ihr Angebot herunterzufahren. „Keiner kann es sich leisten, bei roten Zahlen mit unveränderten Kapazitäten über den Winter zu fliegen“, sagte ein Sprecher der Lufthansa. „Seit den Anschlägen ist unser Passagieraufkommen um ein Viertel gesunken.“ Als Konsequenz will die Lufthansa bis Jahresende 43 Flieger stilllegen. Von insgesamt rund 7.000 Flügen pro Woche würden so immerhin 500 wegfallen. Einzelne Ziele wie Washington, Moskau oder Amsterdam fallen vorerst komplett weg.
In anderen Branchen würde es in einer vergleichbaren Krise zu Fusionen oder Unternehmensübernahmen kommen. In der Luftfahrt steht dem das internationale Flugverkehrsrecht im Wege. Die transkontinentalen Flugrechte der Airlines werden immer noch von den nationalen Regierungen ausgehandelt und in bilaterale Verträge gegossen. „Für den Fall, dass eine nationale Fluggesellschaft eine andere schlucken will, müssten alle Streckenangebote der beiden neu und gleich zwischen mehreren Regierungen ausgehandelt werden“, erläutert Heiko van Schyndel, Flugrechtsexperte von luftrecht.de. Der Übernahme kleiner, regionaler Anbieter durch große Airlines stehe innerhalb des liberalisierten Flugmarktes der EU dagegen nichts im Wege.
ANDREAS LAUTZ
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