Einnahmen aus der Erbschaftsteuer: Heilige Familienbande

Der Staat nimmt aus der Erbschaftsteuer lächerlich wenig ein. Viele nehmen das einfach hin. Warum? Weil es um Gefühle geht – und nicht um Logik.

Goldenes Ei im Nest

Manche bekommen das goldene Ei schon ins Nest gelegt Foto: ATU/getty

Es ist erstaunlich: Pro Jahr werden geschätzt 300 Milliarden Euro vererbt oder verschenkt – aber davon kommt beim Staat ganz wenig an. Im Jahr 2020 haben die Finanzämter 8,5 Milliarden Euro an Erb- und Schenkungsteuer eingenommen, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch bekannt gab.

Die Erbschaftsteuer ist also eine Bagatellsteuer – selbst die Tabaksteuer bringt fast doppelt so viel ein. Raucher werden stärker geschröpft als Erben. Das ist seltsam, regt aber fast niemanden auf. Auch Nichtvermögende finden es völlig normal, dass reiche Erben geschont werden. Tod ist ein unangenehmes Thema, und Familienbande sind heilig.

Da gerät schnell in Vergessenheit, dass man sich seine Eltern nicht aussuchen kann. Es ist keine Leistung, in eine Fabrikantendynastie hineingeboren zu werden. Diese Feststellung ist zwar denkbar banal, wird aber trotzdem hartnäckig ignoriert.

Es ist nicht harmlos, dass Erbschaften kaum besteuert werden, denn damit verfestigt sich die extreme Ungleichheit bei den Vermögen. Nur zur Erinnerung: Das oberste eine Prozent, also das reichste Hundertstel, verfügt bereits über ein Drittel des Volksvermögens. Umgekehrt besitzt die ärmere Hälfte fast gar nichts.

Trotzdem ist schon jetzt klar, dass sich auch nach der Bundestagswahl nichts ändern wird. Union und FDP lehnen „Steuererhöhungen“ bekanntlich rigoros ab – und eine rot-rot-grüne Koalition ist derzeit völlig unwahrscheinlich. Aber selbst wenn es eine linke Regierung, wider alle Erwartungen, geben sollte, würde eine Reform der Erbschaftsteuer scheitern. Denn auch der Bundesrat müsste zustimmen, wo FDP und Union über eine sehr satte Veto-Mehrheit verfügen.

Diese Realitäten dürften sich auch künftig nicht verschieben. Die Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat spiegeln letztlich nur die Präferenzen der Wähler wider – und die Erbschaftsteuer ist einfach kein Thema. Reichtum wird akzeptiert, sobald er durch einen Todesfall erworben wurde. Das mag bizarr sein, aber es geht ja nicht um Logik, sondern um Gefühle.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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