: Einmal quer durch Europa in den Tod
Elsässische Veterinäre stellen 40 Schlachtpferde aus Polen unter Quarantäne ■ Von Michael Obert
Trotz jahrelanger Diskussion werden Pferde noch immer unter barbarischen Bedingungen quer durch ganz Europa gekarrt. Am vergangenen Montag haben Tierschützer im elsässischen Grenzort Lauterbourg erneut einen solchen Fall aufgedeckt. 40 Pferde aus einem Tiertransport aus Polen wurden dort mit Verdacht auf eine ansteckende Krankheit vorerst unter Quarantäne gestellt.
Wie der Sprecher der nordelsässischen Tierschutzgruppe Défense Animale, Jean-Claude Deschamps, der taz mitteilte, habe er die drei polnischen Pferdetransporter in Lauterbourg erwartet, wo die Fahrer die Tiere normalerweise füttern und tränken müssen. Die Fahrer schliefen jedoch, während die Tiere ohne Futter und Wasser auf den Anhängern dahinsiechten. Deschamps hat daraufhin die Polizei verständigt. Die Beamten fanden bereits ein Pferd tot im Hänger und zogen die amtlichen Veterinäre aus Straßburg hinzu. Dem diensthabende Tierarzt fielen Symptome auf, die auf eine ansteckende Krankheit schließen lassen. Möglicherweise wurde sie durch die unverantwortlichen Transportbedingungen hervorgerufen. Etwa 40 der 60 untersuchten Pferde kamen unter Quarantäne. Sieben Pferde sind mittlerweile notgeschlachtet worden.
Défense Animale machte in den letzten Monaten breite Front gegen skrupellose Pferdetransporte, die auf ihrem Weg von Osteuropa nach Südfrankreich das Elsaß passieren. In Osteuropa gehen immer mehr Höfe und Gestüte pleite. Professionelle Aufkäufer erstehen ein Pferd schon für umgerechnet 20 Mark. Kostenminimierung ist das oberste Prinzip in diesem schmutzigen Milliardengeschäft. Die Lastwagen werden häufig völlig überladen, so daß die Tiere tagelang auf engstem Raum zusammengedrängt überstehen müssen. Oft sind die Transporter 30 Stunden und länger ohne ausgedehnte Rast unterwegs. Auch Fälle mit 60 Stunden wurden schon bekannt. Bis zu 20 Prozent der Pferde in solchen Todestransportern verhungern, verdursten, ersticken oder werden totgetrampelt.
250 Millionen Schlachttiere werden jährlich unter teilweise unverantwortlichen Bedingungen quer durch Europa gekarrt. Darunter sind 230.000 Pferde aus Osteuropa – Tendenz steigend. 35.000 Pferde passieren jährlich alleine den Grenzübergang Frankfurt (Oder) – ihre Herkunft reicht bis nach Sibirien.
Zwar gibt es seit Juni 1995 eine EU-Richtlinie für Tiertransporte. Tierschützer bezeichnen diese jedoch als „faulen Kompromiß“ zugunsten der Hauptabnehmerländer Frankreich und Italien. Unter anderem erlaubt die Richtlinie, daß Tiere bis zu 24 Stunden ohne Tränkung transportiert werden dürfen.
In Frankreich gilt Pferdefleisch als Delikatesse. Die Gewinnspannen für polnische Pferde erreichen in Südfrankreich bis zu 300 Prozent – die Verluste bereits einkalkuliert. Tierschützer fordern seit langem ein Verbot von weiten Schlachtwegen. Die Todestransporte seien aber billiger, sagt Pferdeschützer Deschamps. Und Profit gehe den Händlern vor Moral. Die Straßburger Polizeipräfektur räumte ein, daß die Transporte in der Vergangenheit nicht immer mit den Tierschutzvorschriften übereinstimmten. Deshalb seien jetzt die Kontrollen verstärkt worden.
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