: Einkaufen
■ Fanny Müller - Die 20. Geschichte von Frau K.
n der Mittagspause hetze ich zu Frau Tietz, vormals Elfriede Mayer, in die Susannenstraße. Zwar ist es da teurer als in der PRO, aber nirgendwo anders in der Gegend gibt es lose Milch und Sauerkraut vom Faß. Der Tresen ist schon von einem Kunden besetzt. Klein, dürr, kurz vor der Rente und mit einer Visage, von der man sich sofort abwenden muß, um keine Krise zu kriegen. Mit einem Satz, es handelt sich um Hermann Kuhlmann. Zum Glück erblicke ich eine vertraute Gestalt – Frau K. – die mangels anderer Sitzgelegenheiten auf dem niedrigen Rand der offenen Kühltruhe thront, zu ihren Füßen Trixi.
Ich lasse mich neben Frau K. nieder und gemeinsam verfolgen wir den eher einseitigen Flirt, den Kuhl-mann mit Frau Tietz veranstaltet. Was sich darin ausdrückt, daß er an jeden Satz „Frau Tietz“ ranhängt. „Ein Achtel Leberwurst, Frau Tietz, und drei Scheiben Edamer, Frau Tietz, aber machen Sie den roten Rand ab, Frau Tietz.“ Wir sitzen und warten, bis es Frau K. zuviel wird. „Mach hin, Hermann, wir wollen heute noch ins Kino.“ Kuhlmann zeigt sich dieser feinen Ironie nicht zugänglich, aber Trixi, aus Frau K.s Tonfall Morgenluft für Feindseligkeiten ihrerseits witternd, schleppt sich zu ihm rüber und beginnt, schlapp an seinem Hosenbein zu kauen. Ein halbherziges „Bakalut, hierher!“ von Frau K. läßt sie wieder zurückkehren. Wir warten.
„Und zwei Würstchen, Frau Tietz.“ Frau Tietz hält ein Paar Wiener hoch: „Sehn die nich gut aus?“ Kuhlmann holt tief Luft, wirft sich in die Brust und wendet sich nun auch uns beiden zu: „Sieht gut aus, sieht gut aus“, lärmt er los, „was nützt mir ne schöne Frau, wenn sie im Haushalt nix kann...“ Obwohl seine Assoziationskette nicht astrein ist, sind wir uns darüber im klaren, daß jetzt eine längere Probe Kuhlmannscher Philosophie ansteht, und daß dies um jeden Preis verhindert werden muß.
Frau Tietz, ganz Geschäftsfrau, macht sich im Hintergrund zu schaffen. Ich werfe ihm meinen Spezialblick zu, der, den eine Flasche DDT einer Kakerlake zuwerfen würde. Das bringt aber nichts, weil ihn seine Mutter wahrscheinlich schon gleich nach der Entbindung so angekuckt hat. Frau K. ergreift die Initiative. Sie wuchtet sich hoch. „Mit die Kerle“, sagt sie drohend, „mit die Kerle is das genau annersrum. Taugen tun sie alle nix, aber denn solln die wenichstens nach was aussehn. Und jetzt sind wir dran, Hermann!“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen