: Einigung zusammengenagelt Kritiker in die Ecke gestellt
■ Wenn alles jubelt und Kohl lacht, ist Opposition kein Thema / Die Knackpunkte der Kritiker bleiben
Berlin (taz) - Noch nie sei ein Vertrag unter so breiter Beteiligung ausgehandelt worden, brüstete sich gestern Bundesinnenminister Schäuble: Bei dem Vertragswerk sei in allen Fragen ein vollständiger Konsens mit der Opposition erreicht worden. Die Grünen, an diesem Konsens nicht beteiligt, sind anderer Meinung: Grüne Bundestagsabgeordnete haben am Freitag unmißverständlich erklärt, sie würden dem Einigungsvertrag im Bundestag nicht zustimmen. Der Kompromiß zum Abtreibungsrecht sei ein „Hohn auf die Frauen“, erklärten Antje Vollmer, Willi Hoss und Gerald Häfner gestern dazu in Bonn. Ferner müsse die Präambel des Grundgesetzes beziehungsweise einer neuen Verfassung eine Passage beinhalten, die die Verantwortung des gesamtdeutschen Staates für die Konsequenzen der NS-Diktatur betont. Diesen Punkt bemängelt auch Heinz Galinski vom Zentralrat der Juden in Deutschland. Angeblich hat sich die DDR-Regierung dagegen gesperrt, was Galinski aber bezweifelt. Sowohl die Grünen im Bundestag als auch die Volkskammerfraktion von Bündnis 90 und Grünen lehnen die vorgesehene Regelung zu den Stasi-Akten als völlig inakzeptabel ab. Außerdem müsse in den Vertrag noch aufgenommen werden, daß nach der Konstituierung des gesamtdeutschen Parlaments eine verfassungsgebende Versammlung einberufen wird, die innerhalb von zwei Jahren einen Verfassungsentwurf ausarbeitet, der dem deutschen Volk zur Abstimmung vorgelegt werden solle.
Der Vorsitzende der DDR-SPD, Wolfgang Thierse, sieht zwar gute Chancen „für unsere Zustimmung“ zum Vertrag, hält aber nach wie vor die Finanzausstattung der Länder und Gemeinden für völlig unzureichend. Auch das Schicksal der 1,7 Millionen Staatsangestellten sei noch unklar.
Unterdessen hat bereits ein Bürger aus Bayern Verfassungsbeschwerde gegen die vorgesehene Anerkennung der DDR-Bodenreform nach dem zweiten Weltkrieg erhoben.SEITE 4, KOMMENTAR SEITE 10
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