Einfluss bei Instagram, Tiktok und Co: Fossile Industrie kauft Influencer
Die Unternehmen wollen junge Menschen dort erreichen, wo sie online zu Hause sind: bei Social-Media-Diensten. Die Methode ist umstritten.
So wie The Petrol Princess werben zahlreiche Influencerinnen und Influencer auf Plattformen wie Tiktok, Instagram und Twitch neben ihren üblichen Inhalten für die großen fossilen Unternehmen. BP, Chevron, ExxonMobil, Shell und Total Energies profitieren von ihrer Reichweite.
„Die fossile Industrie will sich ein soziales Kapital bei jungen Menschen aufbauen“, sagt Melissa Aronczyk, Professorin für Kommunikation und Information an der Universität Rutgers. Denn bei vielen jungen Menschen hätten die Ölkonzerne wegen der Klimakrise ein schlechtes Image. „Sie halten sie nicht nur für überaltert, sondern auch für gefährlich“, erklärt Aronczyk.
Mehr als 100 Influencer haben nach einer Zählung der Klima-Nachrichtenseite DeSmog seit 2017 mit großen Ölkonzernen zusammengearbeitet. Darunter sind Videospielstreamer, Fußballfans und eine philippinische Großmutter, die für Comedy-Videos über ihre Familie beliebt ist.
2020 gut neun Millionen Euro für Werbung auf Facebook
Die Nachrichtenagentur AFP hat Werbevideos von Influencern aus Indien, Mexiko, Südafrika und den USA gefunden. Darin machen unter anderem eine Hochzeitsplanerin und eine schwangere Mutter Werbung für ein Treueprogramm an Tankstellen des Ölkonzerns ExxonMobil. „Wie viele Unternehmen arbeitet ExxonMobil mit Influencern zusammen, um die Konsumenten über die Vorteile unseres Treueprogramms aufzuklären“, erklärt Konzernsprecherin Lauren Knight auf Anfrage.
Eine Sprecherin des Konkurrenten Shell teilt mit, der Konzern bewerbe in Onlinediensten seine CO₂-armen Produkte. Zu Werbeverträgen mit Influencern für fossile Kraftstoffe machte Shell jedoch keine Angabe. BP, Chevron und Total Energies äußerten sich auf die AFP-Anfragen nicht.
Nach Angaben des Thinktanks InfluenceMap haben die Konzerne im Jahr 2020 umgerechnet gut neun Millionen Euro für Werbung auf Facebook ausgegeben. Das gesamte Ausmaß ihrer Werbestrategien ist allerdings schwer zu schätzen, weil nicht alle Anzeigen deutlich gekennzeichnet sind.
Für einige Influencer könnten die Werbedeals mit den Ölriesen nach hinten losgehen. Sie müssen sich darauf einstellen, dass ihr Ruf darunter leidet und Fans enttäuscht reagieren, sagt Duncan Meisel, Direktor der Kampagne Clean Creatives.
Das bekamen mehrere Videospielstreamer bereits zu spüren, nachdem sie eine von Shell gesponserte Funktion im Onlinespiel Fortnite vorgestellt hatten. „Ich verstehe, dass man Geld verdienen muss, aber 2023 noch Werbung für ein fossiles Energieunternehmen zu machen, ist keine Lösung“, schrieb ein Abonnent unter einem Video der Influencerin Chica auf Instagram. „Ich bin mit deinen Videos aufgewachsen, um zu sehen, wie du dich an eins der unmoralischsten und unmenschlichsten existierenden Unternehmen verkaufst“, hieß es unter dem Beitrag eines anderen Influencers.
„Fossile Energieunternehmen sind die größten Umweltverschmutzer der Welt, sie werden von jungen Menschen tief verabscheut“, sagt Duncan Meisel. „Für alle, die diese Videos sehen, ist die Taste ‚Nicht mehr Folgen‘ nicht weit.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag