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„Einfach räumen bringt nichts“

■ Nach der von Springers Welt losgetretenen Pressekampagne gegen die HausbesetzerInnen in der Düsseldorfer Kiefernstraße - Tenor: „Terrorszene jetzt auch in Düsseldorf“ - gerät das Innenministerium unter Druck / Opposition fordert Schnoor auf, „wieder rechtsstaatliche Verhältnisse“ in den 19 besetzten Häusern herzustellen

Aus Düsseldorf J. Nitschmann

„Krawall im Schatten der Kö“, so oder ähnlich titelte die bundesdeutsche Rechtspresse, angeführt von Springers Gazetten Welt und Bild. Die konservative Journaille hatte „eine gesetzlose Zone mitten in Düsselorf“ aufgedeckt; „Zustände wie auf der Hamburger Hafenstraße“. Alarm geschlagen hatte Springers Tageszeitung Die Welt, der eine „alarmierende Polizei–Studie“ aus dem nordrhein– westfälischen Innenministerium zugespielt worden war. Dieses neunseitige Polizei–Papier (“Betr.: Kiefernstraße in Düsseldorf“) war für das Springer–Blatt der amtliche Beweis, daß die „Terrorszene sich auch in Düsseldorfs Kiefernstraße eingenistet hat“. Für den Sozialdezernenten der rot–grün regierten Landeshauptstadt, Paul Saatkamp, sind die sensationslüsternen Vergleiche des „sozialen Brennpunkts Kiefernstraße“ mit der Hamburger Hafenstraße „einfach Quatsch“. Die große Mehrzahl der rund 150 Hausbesetzer in dem alten Arbeiter– und Industrieviertel Flingern– Süd seien keine RAF–Sympathisanten oder Gewalttäter, „sondern Menschen, die angetreten sind, billigen Wohnraum zu erhalten, der in Düsseldorf dringend benötigt wird“, sagt der Sozialdezernent. Nicht ungern kokettiert Saatkamp mit der Hausbesetzermeile gegenüber auswärtigen Journalisten als eine Art kleines Kreuzberg, um dem arg spießigen Image der nordrhein–westfälischen Landeshauptstadt ein wenig weltstädtisches Flair zu geben: „So ein soziales Experiment würde einer liberalen Stadt wie Düsseldorf gut zu Gesicht stehen.“ Nach Bekanntwerden der Polizei–Studie ist die Stadt Düsseldorf bei ihren Verhandlungen mit den Hausbesetzern freilich politisch arg unter Druck geraten. So rätselte der liberale Kölner Stadtanzeiger bereits, ob es „Vertrag oder Schlagstock für die Kiefern straße?“ geben werde. CDU–Oppositionsführer Bernhard Worms forderte den nordrhein–westfälischen Innenminister Herbert Schnoor (SPD) nahezu ultimativ auf, „wieder rechtsstaatliche Verhältnisse“ auf der Kiefernstraße herzustellen. Der CDU–Politiker drohte Schnoor gleich mit parlamentarischen Konsequenzen, falls dieser „aus falsch verstandener Liberalität“ weiterhin tatenlos zusehe, wie sich dort „ein rechtsfreier Raum im Stil der Hamburger Hafenstraße“ breit mache. Postwendend warnte der Innenminister die Landtagsopposition davor, leichtfertig „Hafenstraßen–Verhältnisse herbeizuführen“. Die Kiefernstraße sei „kein Feld für Politisierungen“, statt dessen brauche es „Besonnenheit“, um zu friedlichen Lösungen mit den Hausbesetzern zu kommen. Ob der Innenminister diese Haltung gegenüber der ihm unterstellten Polizei wird durchhalten können, ist indes mehr als fraglich. Sein Staatssekretär Wolfgang Riotte, in der nicht–öffentlichen Sitzung des Landtags–Innenausschusses von der Opposition zur Rede gestellt, kennzeichnete die gegenwärtige Situation als „Hängepartie“ zwischen der Polizei und der Stadt Düsseldorf: „Die Polizei möchte lieber heute als morgen die Normalität wieder herstellen. Der Geduldsfaden bei Polizei und Stadt ist unterschiedlich lang.“ Daran läßt auch die durch eine gezielte Indiskretion bekanntgewordene Polizei–Studie keinerlei Zweifel: „Die Stadt Düsseldorf muß die Handlungsinitiative wieder zurückgewinnen und Klarheit über ihre Absichten schaffen, damit auch die Besetzerseite Klarheit über Erreichbares und Unerreichbares gewinnt. Ansonsten besteht die Gefahr, daß mangels deutlicher Ziel– und Zeitvorgaben Situationen heraufbeschworen werden, die denen der Hafenstraße ähnlich sind. Dies sollte so wohl aus polizeilichem Interesse als auch zur Vermeidung politischen Flurschadens vermieden werden“, heißt es in der Studie. Nach Darstellung der Polizei werden auf der Kiefernstraße in 19 Häusern Wohnungen „ohne Rechtsgrundlage“ bewohnt. Insgesamt seien 125 Wohnungen in den Händen der Hausbesetzer, wobei für 64 Wohnungen mittlerweile Zeitmietverträge bis zum Ende dieses Jahres bestünden. Zwar bilde „die wohl größte und bunteste Hausbesetzerszene der Bundesrepublik“ (Westdeutsche Zeitung) keine festgefügte Gruppe, aber „einig sind sich die Bewohner der besetzten Häuser auf jeden Fall hinsichtlich ihrer Gewaltbereitschaft gegenüber behördlichen, insbesondere polizeilichen Maßnahmen“, heißt es in dem Polizei–Bericht. Als Beispiel für die „Gewaltbereitschaft“ der Hausbesetzer führt die Studie eine Fahrzeugkontrolle am 12. Dezember 1987 auf der Kiefernstraße an: „Bewohner, die durch einen Hupton kurzfristig zusammengerufen wurden, bedrängten die Besatzung des Streifenwagens und beschädigten die Antenne des Fahrzeugs. Nur unter Hinzuziehung von Verstärkungskräften konnten sich die Beamten nach Einsatz von Schlagstöcken aus dieser Situation befreien.“ Darüber hinaus will die Polizei einen „festungsähnlichen Ausbau“ (verstärkte Türen, Mauerdurchbrüche als Fluchtwege) der besetzten Häuser beobachtet haben. Während die Rechtspresse in den vergangenen Tagen sämtliche 800 Bewohner der Kiefernstraße als „Terroristen“ kriminalisierte, handelt es sich bei dem „harten Kern“ der Besetzerszene, der offen mit der RAF und den Roten Zellen (RZ) sympathisiert, selbst nach Einschätzung der Polizei um nicht mehr als „30 bis 50 Prozent“. Nach Auffassung des Leiters des städtischen „Kinder– und Altentreffs Kiefernstraße“, Thomas Krämer, sind die Probleme und die Aggressivität dort nicht größer als „in einem anderen sozialen Brennpunkt auch“. Wenn in der Düsseldorfer Altstadt etwas passiere, sei dies normal, „wenn es aber in der Kiefernstraße knallt, dann schreien bestimmte Leute sofort nach Räumung“, empört sich Krämer über die Pressekampagne gegen die Kiefernstraße. Das nordrhein–westfälische Innenministerium will dem politischen Druck einstweilen nicht nachgeben und die Verhandlungen der Stadt mit den Besetzern über den Abschluß von Mietverträgen für die Häuser auf der Kiefernstraße abwarten, die mit drei Millionen Mark aus städtischen Mitteln saniert werden sollen. Schnoors Staatssekretär Riotte: „Einfach nur reingehen und räumen bringt nichts...“

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