INTERVIEW: „Eine vollkommen unbegreifliche Entscheidung“
■ Rupert Neudeck von Cap Anamur zur Weigerung des Auswärtigen Amtes, Minenräumpanzer nach Somalia zu schicken
taz: Herr Neudeck, hat Sie die Entscheidung des Auswärtigen Amtes überrascht?
Rupert Neudeck: Nicht nur mich von Cap Anamur, sondern alle Anwesenden hat das überrascht. Als wir heute zum Verteidigungsministerium gingen, haben wir alle damit gerechnet, daß uns die Minenräumpanzer jetzt formell übergeben werden. Denn das Verteidigungsministerium hatte ja alles schon in Gang gebracht. Es gab sogar schon einen Besichtigungstermin im Depot in Storke: den 29. Januar. Alles war festgesurrt. Und plötzlich knallte da diese sogenannte Entscheidung, die niemand begreift, dazwischen.
Was halten Sie denn von der Begründung des AA, daß die Übergabe wegen des „totalen Waffenembargos“ gegen Somalia nicht möglich ist?
Ich habe den Leuten vom Amt gesagt, das versteht in der deutschen Öffentlichkeit kein Schwein. Es ist unglaublich, wie man es ablehnen kann, daß eine Waffe für einen lebensrettenden Zweck eingesetzt wird. Wobei zuerst die Kanone abgesägt und die Maschinengewehre abmontiert werden sollten und sogar die Halterungen dafür. Das Fahrzeug sollte außerdem weiß gestrichen werden und den grünen Baum der Organisation tragen.
Was aber steckt hinter der Ablehnung?
Ich habe das Gefühl, daß der Genscher, der ja seine Nase immer im Wind der Öffentlichkeit hat, damit „noch nicht“, wie man im Amtsdeutsch sagt, „befaßt worden ist“. Wenn jetzt die Völkerrechtler sich damit befassen und bei Durchsicht ihrer Archive herausfinden, daß diese Minenräumpanzer unter Waffen katalogisiert werden, dann sind die natürlich bis zur Salzsäule erstarrt und sagen: Uh, das geht aber nicht. Ohne überhaupt zu kapieren, daß wir verhindern wollen, daß in einem Land, das auch mit Hilfe deutscher Militärausstattung völlig kaputtgemacht wurde, morgen nicht zehn Menschen auf dem Operationstisch liegen, sondern möglicherweise „nur“ drei. Fakt ist außerdem, daß wir die Geräte nur für unsere Organisation benutzen, mit unseren Leuten, die entsprechend ausgebildet sind und nicht wie heute gesagt wurde, zugunsten einer Kriegspartei. Ich sehe das so: Die Bonner haben mal wieder zugeschlagen und eine aussichtsreiche, europaweit einmalige, humanitäre Hilfe kaputtgeschlagen.
Wie steht es mit einer Ausnahmegenehmigung der UNO?
Auf die UNO möchte ich mich überhaupt nicht verlassen. Die UNO beweist in all solchen Fällen, daß sie die lahmarschigste Organisation der Welt ist. Wenn die UNO Gelder bewilligt bekommt, dann kriegen erst mal alle, die damit befaßt sind, 10.000 US-Dollar im Monat, und es werden Häuser mit Swimmingpools gebaut. Wir werden den Kampf mit der UNO jedenfalls nicht aufnehmen.
Wer sonst?
Das Auswärtige Amt ist dazu verpflichtet, weil ja auch die Öffentlichkeit drängt, die Ausnahmeregelung beim UNO-Sicherheitsrat schnellstmöglich zu besorgen.
Was werden Sie persönlich unternehmen?
Ich werde erst mal schreien, weil ich denke, eine Regierung, die ihrem Volk gegenüber verantwortlich ist, kann die öffentliche Meinung nicht so brutal und rücksichtslos außer acht lassen. Das Interview führte Birgit Ziegenhagen
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