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Eine schwierige Frau

Hinter diesen Sommersprossen stecken Zurückhaltung und Freizügigkeit, Intellektualität und Einfachheit: Die vermeintlich unscheinbare, aber wundervoll kompliziert spielende Isabelle Huppert ist Ehrengast des französischen Filmfests. Ein Porträt

von BARBARA SCHWEIZERHOF

Als Michael Cimino für die weibliche Hauptrolle seines Westerns „Heavens’s Gate“ Isabelle Huppert besetzen wollte, fanden seine Produzenten die Idee so absurd, dass ihnen zunächst gar kein Gegenargument einfiel. Außer dem einen schwerwiegenden: Niemand habe je von ihr gehört. Das war 1980, und in Europa war sie soeben mit der „Spitzenklöpplerin“ zu einer Hoffnung des Kinos aufgestiegen.

Auch die persönliche Begegnung mit ihr konnte die amerikanischen Produzenten nicht beeindrucken. Sogar ihre Sommersprossen wirkten blass, hieß es. Das winzige, unscheinbare Mädchen ohne Glamour oder sexuelle Ausstrahlung bekam den Part dann allein wegen der Hartnäckigkeit des Regisseurs. Ausgerechnet „Heaven’s Gate“, diesen legendärsten Flop der Filmgeschichte, präsentiert Huppert heute Abend bei der Eröffnung des französischen Filmfests als ihren Lieblingsfilm. Inzwischen natürlich ein anerkanntes Meisterwerk, das zu Unrecht von den notorisch ahnungslosen Amis missachtet wurde. Zwar konnte der Film damals Hupperts internationale Karriere nicht gerade befördern, geschadet hat er ihr aber auch nicht.

In „Heaven’s Gate“ spielt Huppert die Prostituierte Ella Watson, eine Außenseiterin unter Außenseitern, auf die Menschenjagd gemacht wird. Sie verkörpert auf europäisch komplizierte Weise dabei genau die Fremdheit, die auf das amerikanische Pionierumfeld so provokativ wirkt: ein eigenartiges Zusammenspiel von Zurückhaltung und Freizügigkeit, Intellektualität und Einfachheit. Kurzum: Sie erwies sich als zu schwierig für Amerika, wo sie nur noch einmal, in Hal Hartleys „Amateur“, einen kleinen Erfolg hatte, als Ex-Nonne, die erfahrungshungrig im Café sitzt und Porno-Romane in ihren Laptop hackt. Eine Rolle, die übrigens eigens für sie geschrieben wurde, was vor allem ein Licht darauf wirft, welche Fantasien sie auszulösen imstande ist und welches Panorama an gegensätzlichen Eigenschaften sie gleichzeitig besetzen kann.

Die schwierige Frau ist durch sämtliche Filmmoden hindurch Hupperts Rolle geblieben. Sie spiele „wundervoll kompliziert“, schrieb ein Kritiker einmal über sie. Dabei fängt die Komplexität ihrer Figuren stets bei deren vermeintlicher Unscheinbarkeit an. Denn auf den zweiten Blick wirkt gerade das Unauffällige an ihr umso einprägsamer, weil sich darin ein spannungsvolles Ringen um Ausgleich verrät. Nur zu leicht nämlich kippt ein Gesicht wie das ihre in das eine oder andere Extrem ab: Zu viel Schminke macht aus ihr einen Clown, zu wenig bringt sie zum Verschwinden.

So begann sie ihre Karriere als das klassische stille, tiefe Wasser, schüchtern und unfähig, ihren brodelnden Gefühlen den richtigen verbalen Ausdruck zu geben. In der „Spitzenklöpplerin“ erleidet sie noch einen Nervenzusammenbruch, in „Violette Nozière“, wofür sie 1978 den Darstellerpreis in Cannes erhielt, darf sie schon handgreiflicher werden und kälter dazu.

In „Loulou“ sieht man sie zwei Jahre später noch mit mädchenhaft rundem Gesicht, das sich unter einem zeitgemäßen Pony fast schamhaft verbirgt und gleichzeitig trotzig der Festlegung entzieht. Ernsthaftigkeit und Leichtsinn treiben miteinander Versteckspiel, und nach außen tritt ein Ausdruck von Bewegungs- und Gefühllosigkeit, der geradezu durchsichtig ein intensives Inneres im Zaum zu halten scheint.

Dieses introvertierte Spiel Hupperts hat sich seither kaum verändert und ist doch immer von neuem spannend. In „La comédie de l’innocence“ von Raoul Ruiz, der ebenfalls beim Filmfest zu sehen ist, spielt sie eine Mutter, die sich von ihrem eigenen neunjährigen Sohn darüber in Verwirrung bringen lässt, ob sie seine wirkliche Mutter ist. Zwar klärt sich am Ende alles auf, doch verrät die Bereitschaft, sich wider besseres Wissen irritieren zu lassen, eine grundsätzliche Weltfremdheit, die vielen ihrer Figuren eigen ist. Selten sieht man sie glücklich, wobei ein Lachen ihr Gesicht plötzlich völlig verändern kann. Umso irritierender war ihre Darstellung der Jeanne in Chabrols „Biester“, wo sie in ihrem Hass besonders gelöst und glücklich erscheint.

Natürlich widmete sie den César, den sie für diese Rolle erhielt, ihrem Regisseur Chabrol, aber genauso natürlich hätte er ihr zu danken. Scheint doch kaum eine Schauspielerin geeigneter, jenes Verhältnis zum Verbrechen auszuleuchten, das ihn so besonders interessiert: die eigentümliche emotionale Gleichgültigkeit des Täters zu seiner Tat, hinter der sich ein anderes, fast erotisches Verhältnis erahnen lässt.

In den letzten Jahren wird Huppert zunehmend auf das Krisenmodell der weiblichen Sinnlichkeit festgelegt, auf die in die Jahre gekommene Frau und ihre Schwierigkeit, Sexualität auszuleben. Benoît Jacquot hat ihr so eine Rolle in „L’ecole de la chair“ auf den Leib geschrieben, und Michael Haneke hätte nach eigener Aussage die „Klavierspielerin“ nicht verfilmt, wenn Huppert nicht die Hauptrolle übernommen hätte. Jedenfalls weiß man inzwischen, was hinter diesen Sommersprossen steckt.

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