■ Binationale Ehen im Ausland: Deutsche Frauen in Tunesien gründeten einen Verein zur Durchsetzung ihrer politischen Interessen wie doppelte Staatsbürgerschaft, Besitzerwerb, Rentenversicherung und Arbeitserlaubnis: Eine neue Heimat mit beschränktem Recht und Status
Afart, der Verein deutscher Frauen in Tunesien, ist 1993 aus der Notwendigkeit entstanden, sich mit der spezifischen Lebenssituation deutsch-tunesischer Familien und Partnerschaften mit Lebensmittelpunkt in Tunesien auseinanderzusetzen. Dies erfordert zuallererst die Kenntnis der rechtlichen Rahmenbedingungen: Familien- und Erbrecht, Besitzerwerb, Aufenthalts- und Arbeitsrecht und die sozialen Rahmenbedingungen binationaler Familien in Tunesien (deutsch-tunesisches Sozialabkommen, Kranken- und Rentenversicherung etc.).
Es bedeutet aber auch die Auseinandersetzung mit der Rechtslage von auf Dauer im Ausland lebenden deutschen Frauen: Nach zehnjährigem Aufenthalt im außereuropäischen Ausland verlieren sie bestimmte Bürgerrechte in Deutschland, zum Beispiel das Wahlrecht. Ein Teil der vor 1975 geborenen Kinder deutsch-tunesischer Familien ist bis heute ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Es gilt Visumspflicht für die tunesischen EhepartnerInnen von Deutschen. Weder die tunesischen Männer noch die deutschen Frauen können die doppelte Staatsangehörigkeit, die der binationalen Lebenswirklichkeit entsprechen würde, erwerben.
Zwar besteht für ausländische Frauen die Möglichkeit, nach zwei Ehejahren und Aufenthalt in Tunesien die tunesische Staatsangehörigkeit zu erwerben, deutsche Frauen verlieren aber dann die deutsche Staatsangehörigkeit. Ansonsten gilt für sie das Ausländerinnenrecht in Tunesien, das heißt alle zwei Jahre zu erneuernde Aufenthalts- und alljährlich zu verlängernde Arbeitserlaubnis. Besitzerwerb ist nur nach einem langwierigen Genehmigungsverfahren möglich; als Nichtmusliminnen sind sie vom muslimischen Erbrecht ausgeschlossen.
In einer Stellungnahme des Innenministeriums 1997 zur Frage des Wahlrechts Auslandsdeutscher steht: „Wer länger als diesen Zeitraum [zehn Jahre; R. F.-S.] im Ausland bleibt, verfolgt im allgemeinen die Absicht, sich aus der Gemeinschaft der Bundesrepublik zu lösen und sich in einer anderen Lebensgemeinschaft einzugliedern.“ Die Realität sieht anders aus. Binationale Partnerschaften wollen den Kontakt zu beiden Kulturkreisen aufrechterhalten.
Es wäre längst an der Zeit, die Rechtssituation dieser Personengruppe auch in Deutschland zu verbessern durch Reform des Staatsangehörigkeitsrechts (Möglichkeit zum Erwerb der doppelten Staatsangehörigkeit) und des Wahlrechts, aber auch durch Maßnahmen zur Einrichtung einer institutionalisierten Vertretung für diese Bevölkerungsgruppe, wie sie in Italien und Frankreich längst besteht. Renate Fisseler-Skandarani
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen