: Eine neue Allianz für Rassismus in Sri Lanka
■ Mit neuem Image sorgt die ehemals linke Partei JVP wieder für Schlagzeilen: mit rassistisch–nationalistischen Racheparolen schart sie unzufriedene Singhalesen im Süden um sich / Der Regierung ist die bizarre Gruppe als Sündenbock hochwillkommen / Verdacht auf Beteiligung an Bombenanschlägen
Madras (taz) - 300 in safranfarbene Gewänder gekleidete Mönche führen den Trauerzug an. 5.000 Menschen folgen mit überlebensgroßen Gemälden des Toten - umrahmt von weißen, blutrot gesprenkelten Fahnen - Transparente verkünden: „Wir müssen für sein Blut Rache an der Regierung nehmen“. Am 4. Mai wurde auf diese Weise in einem Dorf bei Colombo der 24jährige singhalesische Student Mewan Ranawaka beerdigt, der bei einer verbotenen Demonstration am 1. Mai in einem Tempel von der Polizei erschossen worden war. Buddhistische Priester attackierten am Grab mit scharfen Worten die Regierung Sri Lankas, „die ohne Anlaß Menschen erschießt“. Studenten in mehreren Universitätsstädten boykottierten aus Solidarität die Vorlesungen. Ein ungewöhn licher Aufwand für einen Toten im kriegsgeschüttelten Sri Lanka, zu erklären nur durch eine Tatsache: Mewan Ranawaka war Mitglied der „Patriotischen Studentenfront“, einem FLügel der singhalesisch–nationalistischen „Janata Vimukti Peramuna“ oder kurz JVP. 1971 führte die ihrem damaligen Selbstverständnis nach linke Partei einen Aufstand gegen die damalige Regierung Bandaranaike und bewaffnete innerhalb von wenigen Tagen 30.000 Jugendliche durch Überfälle auf Polizeistationen und brachte vorübergehend 85 Polizeidivisionen unter ihre Kontrolle. Der Massenaufstand wurde mit massiver ausländischer Hilfe niedergeschlagen, 10.000 Menschen wurden getötet, 20.000 verhaftet. Seitdem war die Organisation bedeutungslos und wurde 1983 offiziell verboten. Ihr Führer Rohana Wijeweera lebt seit seiner Haftentlassung im Untergrund. Seit einigen Monaten nun macht die Organisation mit gewandeltem Image wieder von sich reden. Die heutige JVP mobilisiert die singhalesische Bevölkerung durch antitamilische und antiindische Propaganda. Die tamilische Guerilla wird als „Werkzeug des indischen Expansionismus“, die regierende „United National Party“ des konservativen Präsidenten Jayewardene als „Verräterin des Vaterlandes, die einen Ausverkauf des Landes an die tamilischen Kräfte betreibt“, bezeichnet. Durch ihre prosinghalesischen Slogans mit immer noch sozialistischem Einschlag bietet die JVP eine spontane Plattform für alle, die mit der Regierungspolitik unzufrieden sind. Buddhistischer Klerus, Arbeitslose, Studenten und Armeeangehörige bilden ihre nicht unbeträchtliche Gefolgschaft. 2.000 JVP–Sympathisanten sollen nach Regierungsangaben die Streitkräfte unterwandert haben und Waffen und Sprengstoff an Außenstehende weitergeleitet haben. 37 Soldaten, bei denen man Kontakte zur JVP vermutet, wurden kürzlich aus dem Dienst entlassen und auch ein Überfall auf ein Armeelager im April wird der JVP zugeschrieben. Neben unzufriedenen Soldaten sympathisieren auch viele Studenten mit den Slogans der JVP. Die im Hochland gelegene Stadt Kandy gilt - neben Colombo - als das Zentrum ihrer „Patriotischen Studentenfront“. Die Stadt ist traditionell sehr stark von konservativen buddhistischen Kräften beeinflußt. Dort residieren die zwei ranghöchsten Priester und chauvinistische Mönche machen seit Jahrzehnten gegen jegliche Zugeständnisse an die überwiegend hinduistischen Tamilen Front. Am vergangenen Freitag wurden bei einer Razzia in Kandy über hundert Waffen, Bomben, Flugblätter mit Anti–Regierungspropaganda und lebensgroße Plakate des JVP–Führers Rohana Wijeweera sichergestellt. Nur durch Zufall wurde vor eini gen Wochen ein Sprengstoffanschlag auf den nahen Viktoria– Staudamm verhindert. Auch hier werden JVP–Mitglieder als Urheber vermutet. Fest steht jedoch, daß Teile der JVP Verbindungen zu Premierminister Premadasa, dem Rechtsaußen im Kabinett Jayewardene, unterhält. Ein anderer Flügel soll inzwischen gute Kontakte zur oppositionellen „Sri Lanka Freedom Party“ aufgebaut haben. Die SLFP versucht über die rassistische Schiene - „Die Regierung ist unfähig, das Leben des Volkes zu schützen, Recht und Ordnung herzustellen und mit dem tamilischen Terrorismus Schluß zu machen“ - auf parlamentarischem Weg wieder an die Macht zu kommen. Am Mittwoch dieser Woche kündigte Frau Bandaranaike an, so lange eine gewaltfreie Kampagne durchzuführen, bis die Regierung Neuwahlen ansetzt. Die merkwürdige Allianz von JVP, konservativen Buddhisten, SLFP und dem erzreaktionären „Komitee zur Verteidigung des Vaterlandes“, das die Maidemonstration organisiert hatte, nutzt geschickt eine weitverbreitete Stimmung von Frustration in der Bevölkerung im Süden Sri Lankas aus. Demoralisierte Soldaten und Zivilisten, die den Versprechungen der Regierung, den Tamilenkonflikt in Bälde zu lösen, keinen Glauben mehr schenken, sind der ideale Nährboden für die rassistisch nationalistische Mobilisierung. Stärker denn je befindet sich der 80jährige Jayewardene unter dem Druck „militärische Erfolge gegen die tamilische Guerilla vorzuweisen. J.R., wie der Präsident nach den Initialen seiner Vornamen kurz genannt wird, erklärte denn auch, „daß die Truppen die Jaffna–Halbinsel unter allen Umständen zurückerobern“ müßten. Befragt, ob dies nicht zu viele Opfer unter der Zivilbevölkerung fordere, meinte er nur: „Da kann man dann halt nichts machen“. Biggi Wolff
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