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Eine moderne Geißel der Menschheit

■ Die gemeine Stadttaube – Sie sorgt für verätzte Metalle und Hauswände, macht Gehsteige unsicher und ist eine schwerwiegende Gefahr für die menschliche Hygiene

„Ich bin Amtstierarzt, und von Schädlingsbekämpfung verstehe ich nur soviel, daß ich weiß: Sie muß sein“, hebt der Kieler Medicus Stoll an. Rund fünfhundert Kammerjäger haben sich im Goldsaal der Dortmunder Westfalenhalle versammelt, um seinem Fachvortrag zu lauschen. Stoll ist Tierarzt und redet hier über „ein Problem, das oft verkannt wird und vielfach schwerwiegende Folgen haben kann“, wie etwa der „Deutsche Schädlingsbekämpfer- Verband“ weiß. Es geht ihm um die gemeine Taube, „eine ernstzunehmende Gefahr für die menschliche Hygiene und Gesundheit.“

Stoll weiß, welche Geißel das Tierchen sein kann: „Pocken, Tuberculose, Kuhfieber und Pilzkrankheiten“ bringen die gurrenden Vögel über die Menschheit. Rund fünf Pfund Kot läßt eine jede dieser Luftratten pro Jahr auf Deutschlands Bürgersteige, Straßen, Fensterbretter und Balkons fallen. Schon allein diese Tatsache, so weiß der Akademiker, „kann die Gehsicherheit auf Fußwegen erheblich beeinträchtigen.“

Außerdem verätzt der Taubendreck Metalle und Gestein. Bekannt ist zudem, daß sich die Taubenrotten vermehren wie Karnickel: Ein jedes Paar zeugt um die zwanzig Eier. In der Folge entstehen Generationen im Sechsmonatsturnus. Natürliche Feinde hat die gemeine Stadttaube nicht, daher wird sie nicht selten bis zu zwanzig Jahre alt.

Das ruft die Ordnungsbehörde auf den Plan. Stoll weiß: „Gesetzlich ist sie zum Eingreifen verpflichtet, wenn die allgemeine Sicherheit in Gefahr ist.“ Gelegentlich wird von den Ordnungsämtern dann ein „Abschußberechtigter“ in Marsch gesetzt. Das aber ist riskant. Schließlich könnte er versehentlich auch einen Menschen treffen. Häufiger betritt daher der Schädlingsbekämpfer den Plan. Allerdings darf auch er nicht wild wüten. Denn „die Columbia livia domestica ist zwar vogelfrei, aber nicht rechtlos.“ Verwilderte Haustauben können sich nämlich auf das Tierschutzgesetz berufen. Paragraph vier legt fest, daß ihnen keine vermeidbaren Schmerzen entstehen dürfen.

„Deswegen sehe ich die sogenannten systematischen Vergiftungsaktionen sehr kritisch“, meint Tierarzt Stoll. „Der lange Todeskampf dürfte dem Rechtsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit widersprechen.“ Einzig mit „lebendfangenden Schlagfallen“ fange der Profi die Taube rechtlich würdig ein. Dann stellt sich allerdings noch „das Problem des fachgerechten Tötens“. Für Stoll ist klar, wer das am besten kann: „Ein Tierarzt, der eng mit dem Tierschutzverein zusammenarbeitet“. Thomas Meiser

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