: Eine kleine Verschwörung
Charmante Miniaturen und skurrile Albernheiten zwischen Improvisation und Krautrock: Im Hafenklang stellt sich die MusikerInnenkooperative „Parat“ vor
Parat feiert seine Existenz und Erscheinung. „Parat wurde von einer Gruppe Hamburger Musikern ins Leben gerufen, die auf diesem Wege zunächst für die eigenen Aufnahmen, zukünftig aber auch für die Musik anderer Musiker Vertriebswege erschließen möchte“, so vermelden die Liner Notes zu dem Compilation-Album Apparat, auf dem 15 Tracks von neun Projekten zu hören sind. „Bislang umfasst das Spektrum Hybride verschiedener Musik aus Elektronik, Improvisation, Ambient, Krautrock, Jazz, Dub und Songwriting.“
Weder eine disparate noch eine desperate Angelegenheit. Man ist vielmehr da, hält etwas hoch: Hier! Parat! Zeigt Flagge. Ohne Fremdeinwirkung durch übliche Marktstrategien, Managementbevormundung, den Bedingungen Charts und Gesetzmäßigkeiten etwa des (Pop-) Songs geht es um nicht weniger als die persönliche Freiheit künstlerischen Ausdrucks, Nebenprojekt-Verzahnungen, nicht zuletzt Humor und ein Hochhalten der Indie-Idee vor der Entstehung der Indie-Kultur, wie wir sie kennen.
Hier haben sich Bands und Solokünstler zusammengetan, um sich der Öffentlichkeit ein Stück weit zu öffnen. Aber eben der Öffnung nicht zuviel: Parat möchte eine „unabhängige, selbst organisierte und nicht kommerzielle Vertriebskooperative“ sein und bleiben. Eine kleine Verschwörung. Aber kein Label. Man bleibt vorsichtig. System-Halbtotal-Verweigerer auf dem Weg (zu sich selbst, vielleicht)? In den eigenen Darstellungen und Infozetteln kündigen sich manche der Gruppen an, als nähmen sie sich selbst nicht ernst. Oder geht es darum, ansonsten übliche, profane Kategorisierungen ad absurdum zu führen? Da bezeichnen sich Der Herrenabend zum Beispiel als „explosive Mischung sechs individueller Improvisateure, deren gemeinsamer Nenner mit Friede, Freude, Eierkuchen umschrieben ist.“ Ein echtes Credo.
Der von Silke Gatermann und Thomas E. Martin, selbst auf die eine oder andere Weise mit Beiträgen vertreten, zusammengestellte Sampler Apparat vereint charmante Miniaturen, pralle Collagen, skurrile Albereien, kleine Anfragen und mystische Beschwörungen. Eine verspielte Kollektion. Zeit und Ruhe sind zentrale Themen, Melodiösität ist durchaus angesagt. Sonne Art präsentieren im Track „East Dreams“ das Saxofon als Unkenruf. Leichte Engtanz-Dissonanzen, das Schlagzeug führt schweren Schrittes zum Schaffott. Tropenschwüle. Mit Flöte. Krautig. Der unterhaltsam-amüsante Track „The Lady Loves Junior Brown“ von Natasha wirkt wie ein Titel von der US-Band Tipsy mit russisch-folkloristischer Gesangslinie. Ein Bild: Der Tanzbär geht nach Hause, wankt. Man sieht ihn von hinten, ein Hut wird gezogen. Der Mann mit Zylinder und weißen Handschuhen besingt das Fehlen seiner Liebsten: Rita. Und das auf Hawaii.
Passierzettel, die wohl bekannteste der hier versammelten Gruppen, sind Fans frei improvisierter Rock-Musik sicher bekannt. Ihr Dub „Life Is Trite“ und ihr „Telephone Song“ ring my bell. Silk Gate kommt mit der Festplatte als Backing Group auf die Bühne und zelebriert eine intim anmutende Performance, ihr Stück „Am Thing“ ist ein echtes Juwel. Neuerdings soll das Gate auch grooven, ließ sie verlauten.
Mein persönlicher Favorit: „Life Is a Freakshow“ von Warengruppe feat. H3N. Eine moderat daherschreitende Song-Apparatur mit Würde, teilweise auf Haushaltsgeräten eingespielt. Ein kleiner Gruß an die Residents? Man darf entspannt sein, was da auf einen zukommt. Oder gespannt, je nachdem. Parat jedenfalls ist da. Und hat etwas für dich übrig: Live-Sets spielen jetzt im Hafenklang Passierzettel, Herrenabend, Silk Gate, H3N und Yellow Doctor Fish, den Abend moderiert Miss Marion.
Carsten Klook
Freitag, 21 Uhr, Hafenklang. CD Apparat, Eigenvertrieb 2002, erhältlich in ausgewählten Hamburger Plattenläden sowie über info@parat-musik.de
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