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■ NachschlagEine berlinische Edgar-Wallace- Parodie im Ratibor Theater

Man spürt richtig, wie sich das Team des Ratibor Theaters sicher war, einen gewaltigen Publikumserfolg zu schaffen und vielleicht sogar ein Kultstück. Die Voraussetzungen waren ideal. Die charmant einfältigen Edgar-Wallace-Verfilmungen sind zweifellos ein Stück bundesrepublikanische Kulturgeschichte, und Peter Thomas' Filmmusik ist dank des Easy-Listening-Revivals zu späten Ehren gelangt. Anlaß und Material für eine Parodie bieten die über 40 Kolportagekrimis – von „Der grüne Bogenschütze“ bis zum „Gasthaus an der Themse“ – mit ihren inhaltlichen Versatzstücken genug. Geheimgänge, wabernder Londoner Nebel, zwielichtige Tresenschlampen in ebensolchen Etablissements. Schlaue Kommissare, trottelige Helfer und Verbrechersyndikate auf dem Weg zur Weltherrschaft finden sich nun auch in Gaby Sikorskis und Chris Kurbjuhns Stück mit dem lokal passenden Titel „Die toten Augen vom Kurfürstendamm“. Zwei Schauspieler in 19 Rollen kündigt das Ratibor Theater vielversprechend an, und die Theaterbar bietet zur Einstimmung „Flickenschildt's Mörder-Mix“ und „Kinskis giftiges Geheimnis“. Aber was gibt es letztlich zu sehen? Eine Bankrotterklärung des Humors. Witze, wie man sie selbst bei Mike Krüger lange nicht mehr erlebt hat. Daß Frau Dor mit Namen Labra heißt, gehört noch zu den intelligenteren Leistungen. Reimund Groß und Werner Böhnke, die zum Kostümwechsel immer wieder hinter die Kulisse verschwinden, vermögen weder die namentlich ständig heraufbeschworenen Filmvorbilder (von Eddie Arent bis Joachim Fuchsberger) zu imitieren noch halbwegs glaubhafte, eigene Bühnenfiguren zu schaffen. Was bleibt, ist hilfloses Chargieren.

In der zweiten Hälfte beginnt diese Maschinerie der Albernheiten (“Sag Bescheid.“ – „Bescheid.“) für einen Moment aus dem Ruder zu laufen und der Abend ins völlig Absurde und in eine Mischung aus Stand-up-Comedy und offenherzigen Trash abzugleiten. Aber diese Hoffnung währt nur kurz. Dann herrscht wieder der gepflegte Pennälerhumor. Pointe um Pointe wird aufgesagt und versandet kläglich. Ein Späßchen zum Thema Sparmaßnahmen, denen bei Scotland Kreuzberg demnächst der ganze Polizeiapparat zum Opfer fallen soll, will ein Running Gag sein, macht aber nur um so deutlicher, daß auch im Ratibor Theater an diesem Abend gnadenlos gespart wird: an Witz. Axel Schock

Bis auf weiteres Mi-So 20 Uhr, Ratibor Theater, Cuvrystraße 20

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