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Eine Stunde ohne Löcher

■ Das »Lady Komedie« aus Amsterdam ist mit »Waterlust« zu Gast in der UFA-Fabrik

Was muß der arme Werbemensch geschwitzt haben, als er den Versuch wagte, mit wenigen Sätzen den nicht urlaubenden Restberliner aus dem Sommerloch in die UFA-Fabrik zu locken. Junge Mädel aus Holland sollen dort gastieren, schreibt er, die »Kraft und Erotik« darbieten — eine wahrlich traumhafte Verheißung für eine laue Sommernacht.

Und auch der Kopfmensch solle nicht zu kurz kommen, der frauenfreundliche schon gar nicht, zeige doch das »Lady Komedie« aus Amsterdam nichts weniger als »eine selbstbewußte Profi-Show, die nicht gegen das andere Geschlecht (das bin wohl ich) anspielen will. Die Ladies kommen ganz einfach ohne Männer aus.« Toll.

Wenigstens ist der Spielort gut gewählt. Niemand wird zu einem Saunagang in ein muffiges Kabuff genötigt — die Vorstellung findet im Freien statt. Der Nachteil: die ebenerdig aufgestellten Bänke sind hart und bieten auf den hinteren Sitzreihen wenig Aussicht auf die Bühne. Die ist karg ausgestattet und läßt Schlimmes erwarten, was die Erotik betrifft: eine Freitreppe, Wasserschläuche, eine Grünpflanze, viele Emailleschüsseln. Alles deutet auf eine jugendgefährdende Show hin. Es beginnt harmlos, doch wir wissen ja: jede Einstiegsdroge führt zur Katastrophe!

Die bleibt aus. Fünf junge Frauen in leichten Sommerkleidchen treffen sich — scheinbar zufällig — in einer Zeit, in der Peter Kraus und Conny Frobbes unsere Eltern terrorisierten. Swing und Rock 'n' Roll, wer Foxtrott tanzt, gilt als verlobt. Es ist die Spießerzeit der Nachkriegsära, aus der die »Lady Komedie« ihre witzige Situationskomik speist. Und das gelingt vortrefflich.

Niemand hätte vor vierzig Jahren darüber gelacht, wenn eine Frau auf den Knien den Fußboden schrubbt. Wie absurd das heute wirkt, Gehorsam (gegenüber dem Mann), Ordnung und Fleiß: Die Lady Komedie führen sie uns noch einmal vor, und es ist gut, daß das überwiegend weibliche Publikum heute darüber nur noch lachen kann.

Doch dann wird die »moderne« Frau gezeigt, und mann fragt sich, was sich denn nun wirklich geändert hat? Wer die Kommandos einer Aerobikdomina hört: »Laufen! Stehn! Sitzen! Liegen! Schaukeln! Singen!«, und die Befehle akkurat und blitzdumm von vier Mädels ausgeführt sieht, der zweifelt schon an der Hirnmasse einiger Damen, die Emma lesen und Blitzillu verinnerlicht haben (gilt natürlich nicht für die Damen, die Stretchen und Spagat zur Selbstfindung ausüben).

Die Lady Komedie zeigt oft eine Art Humor, die das Publikum teilt; während sich die Frauen kräftig amüsieren, bleibt den Männern nur ein solidarisches Grinsen, da sie nun mal nicht wissen können, was sich zum Beispiel auf dem Frauenklo abspielt. Der Kampf um Klopapier muß fürchterlich sein.

Aber wenn es drauf ankommt, halten die Mädels zusammen: gegenseitige Schminkhilfe ist Ehrensache. Komisch ist die Truppe aber auch bei ihren akrobatischen Übungen, die wahrlich nicht zirkusreif sind, sondern eher an die graziösen Purzelbäume von Stan und Olli erinnern. Und noch etwas haben die Holländerinnen von Dick und Doof gelernt: es gibt einfach nichts Lustigeres als eine Torten- und Wasserschlacht.

Die Erotik wird nachgeliefert: die Schauspielerinnen entledigen sich ihrer Kleidchen und tanzen in Unterwäsche weiter. Die Damen haben Besseres zu bieten, als ihre Werbung verspricht. Keine »feurige Show«, auch kein »Spektakel«, sondern treffenden Witz und feinen Humor, der oft nur von spärlichen Gesten lebt, um im nächsten Moment dann doch mit voller Wucht auf den Zuschauer — und die Zuschauerinnen — einzuschlagen. Und was die Amsterdamerinnen noch so überaus sympathisch macht: Sie wissen, daß eine gute Show nach sechzig Minuten zu Ende sein muß. »Waterlust« hat deshalb keine Löcher und keine Längen — ein schönes Sommerabendvergnügen in der UFA-Fabrik. Werner

Lady Komedie: »Waterlust«. Mi.-So. 21 Uhr bis zum 16.8. Eintritt: 15/18 Mark, UFA-Fabrik, Viktoriastraße 13, U-Bahn Ullsteinstraße (755030)

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